Zweimal ist einmal zuviel
Sandemans Wohnung werfen. Niemand war zu sehen, und in dem gegenüberliegenden Haus waren alle Rollos heruntergelassen.
Ich schloß die Augen und atmete einmal tief durch. Was sollte mir schon groß passieren? Ich konnte höchstens verhaftet, erschossen oder zusammengeschlagen werden. Wenn ich Glück hatte, war niemand da, und ich kam noch einmal mit heiler Haut davon.
Ich öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Mit Feuerleitern kannte ich mich aus, denn auf meiner eigenen hatte ich schon so manche Stunde in der Sonne gesessen. Ich schlich zu Sandemans Fenster und sah ein ungemachtes Bett, einen Küchentisch nebst Stuhl, einen Fernseher auf einem Metallständer und einen riesigen Kühlschrank. An zwei Wandhaken hingen mehrere Kleiderbügel. Auf dem Tisch teilte sich eine Kochplatte den Platz mit zerdrückten Bierdosen, verschmierten Papiertellern und zerknüllten Lebensmittelverpackungen. Außer der Wohnungstür konnte ich keine weiteren Türen entdecken. Wahrscheinlich benutzte Sandeman das Klo im Treppenhaus. Bestimmt kein sehr appetitlicher Anblick.
Von Kenny keine Spur.
Ich stand schon mit einem Bein wieder im Flur, als ich den alten Mann genau unter mir erspähte. Mit einer Hand schützte er seine Augen vor der Sonne, in der anderen hielt er noch immer meine Visitenkarte. »Na, jemand da?« fragte er. »Nein.«
»Habe ich mir schon gedacht«, sagte er. »Es wird noch ein bißchen dauern, bis er nach Hause kommt.«
»Schöne Feuertreppe.«
»Müßte mal wieder repariert werden. Die Schrauben sind verrostet. Ich würde mich da nicht mehr raus trauen. Aber bei einem Feuer ist das den Leuten sowieso egal.«
Ich lächelte verkrampft und kletterte ins Haus zurück. Dann lief ich schnell nach unten, sprang in den Jeep, verriegelte die Türen und fuhr los.
Eine halbe Stunde später überlegte ich, welche Klamotten für meine abendlichen Recherchen wohl am geeignetsten wären. Die Wahl fiel auf einen langen Jeansrock und eine weiße Strickbluse. Ich frischte mein Make-up auf und drehte mir ein paar elektrische Lockenwickler ins Haar. Als ich sie wieder herausnahm, wirkte ich einige Zentimeter größer. Es reichte zwar immer noch nicht zum Basketballstar, aber auf einen Durchschnittspakistani wirkte ich wahrscheinlich trotzdem beeindruckend.
Ich schwankte zwischen Burger King und Pizza Hut, als das Telefon klingelte.
»Stephanie«, sagte meine Mutter. »Es gibt Kohlrouladen, und zum Nachtisch habe ich Gewürzkuchen gebacken.«
»Klingt gut«, erwiderte ich. »Aber ich habe schon etwas vor.«
»Was denn?«
»Ich gehe essen.«
»Mit einem Mann.«
»Nein.«
»Dann hast du auch nichts vor.«
»Das Leben besteht nicht nur aus Rendezvous.«
»Aus was denn sonst?«
»Arbeit zum Beispiel.«
»Stephanie, Stephanie, Stephanie, du arbeitest für deinen nichtsnutzigen Vetter Vinnie. Das ist doch nichts für dich.«
Ich kam mir vor, als würde ich mit dem Kopf gegen eine Betonwand rennen.
»Zum Gewürzkuchen gibt es auch noch Vanilleeis«, sagte sie.
»Dieses Diäteis?«
»Nein, das teure Sahneeis.«
»Na gut. Ich komme.«
Rex kam aus seiner Suppendose, räkelte sich und streckte sein Hinterteil gen Himmel. Er gähnte und beschnupperte seinen Napf; als er nichts darin fand, wandte er sich seinem Laufrad zu.
Damit er sich keine Sorgen machte, wenn ich spät nach Hause kam, klärte ich ihn über meine Pläne für den Abend auf. Ich ließ das Licht in der Küche brennen, schaltete den Anrufbeantworter ein, schnappte mir meine Handtasche nebst der braunen Bomberjacke und schloß hinter mir ab. Ich würde etwas zu früh kommen, aber das war in Ordnung. Wenigstens konnte ich dann noch in Ruhe die Todesanzeigen studieren und mir überlegen, welche Bestattungsinstitute ich mir nach dem Essen vornehmen sollte.
Als ich vor meinem Elternhaus hielt, gingen gerade die Laternen an. Der Mond leuchtete silbrig in der Abenddämmerung. Es war kühler geworden.
Grandma Mazur kam mir im Flur entgegen. Ihre Dauerwelle war frisch onduliert, hell schimmerte die rosa Kopfhaut durch das stahlgraue Haar.
»Ich war heute beim Friseur«, sagte sie. »Ich dachte, ich könnte vielleicht ein paar Hinweise im Fall Mancuso aufschnappen.«
»Wie ist es gelaufen?«
»Nicht schlecht. Die können noch anständig Waschen und Legen. Norma Szajack, Bettys Cousine zweiten Grades, hat sich die Haare färben lassen. Alle meinten, ich sollte es auch mal ausprobieren. Ich hätte auch bestimmt nichts dagegen gehabt, wenn die nicht vor kurzem im
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