Zweimal ist einmal zuviel
Finger Finderlohn zahle, oder?«
»Mein Gott, Spiro, was sind Sie für ein Ekel.«
»Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Ich will, daß Sie sich überlegen, wie Sie George wieder mit seinem Finger vereinen können. Sonst mache ich Ihnen eine Szene, die sich gewaschen hat.«
Spiro zögerte noch.
»Ich erzähle es Grandma Mazur«, fügte ich hinzu.
»Bitte nicht, nein!«
»Also, was wird jetzt aus dem Finger?«
»Wir lassen den Sarg sowieso erst runter, wenn die Angehörigen und Freunde wieder in ihren Autos sitzen. Dann können wir den Finger hinterherschmeißen. Wäre das in Ihrem Sinne?«
»Ich höre wohl nicht recht. Sagten Sie hinterherschmeißen?«
»Der Sarg wird jedenfalls nicht mehr aufgemacht. Sie müssen sich schon damit begnügen, daß George und sein Finger im selben Loch begraben werden.«
»Ich glaube fast, ich bekomme gleich einen Schreikrampf.«
»Verdammt noch mal.« Er wollte die Lippen zusammenkneifen, was ihm aber wegen seiner vorstehenden Zähne nicht ganz gelang. »Na schön. Ich mache den Sarg auf. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, daß Sie die reinste Landplage sind?«
Ich ließ Spiro stehen und entfernte mich ein paar Schritte vom Grab. »Alle sagen, ich wäre eine Landplage.«
»Dann wird es wohl stimmen«, sagte Morelli und legte mir den Arm um die Schultern. »Bist du den Finger losgeworden?«
»Spiro gibt ihn George nach der Zeremonie zurück, wenn die Trauergäste weg sind.«
»Bleibst du solange?«
»Ja. Dann kann ich noch in Ruhe mit Spiro reden.«
»Ich haue mit den Scheintoten ab. Aber ich bleibe in der Nähe, falls du mich brauchst.«
Ich drehte das Gesicht in die Sonne und ließ meine Gedanken schweifen. Es wurde nur ein kurzes Gebet gesprochen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt hielt sich das Institut Stiva nicht länger als nötig am Grab auf. Da es noch nie vorgekommen war, daß eine Witwe aus unserem Viertel zur Beerdigung vernünftige Schuhe trug, hatte der Bestatter dafür Sorge zu tragen, daß die alten Damen keine kalten Füße bekamen. Als die Zeremonie zu Ende war, hatte Mrs. Mackey noch nicht einmal eine rote Nase. Dann stapften die alten Herrschaften durch das tote Gras zu den Autos. In einer halben Stunde würden sie bei Mrs. Mackey sitzen, Salzstangen essen und Cocktails trinken. Spätestens um ein Uhr würde Mrs. Mackey in ihrem großen leeren Haus ganz allein sein.
Autotüren fielen ins Schloß, Motoren sprangen an. Die Trauergäste fuhren davon.
Spiro hatte die Hände in die Hüften gestemmt, das Modell eines leidgeprüften Bestattungsunternehmers. »Und nun?« sagte er.
Ich holte den Plastikbeutel aus der Handtasche und reichte ihn hinüber.
Spiro gab ihn an einen der beiden Friedhofsarbeiter weiter, die neben dem Grab standen, und wies ihn an, den Sarg noch einmal zu öffnen und den Beutel hineinzulegen.
Die beiden Männer zuckten nicht mit der Wimper. Aber wer seinen Lebensunterhalt damit verdiente, mit Blei ausgekleidete Kisten im Boden zu versenken, gehörte vermutlich nicht gerade zur neugierigsten Sorte Mensch.
»Also?« sagte Spiro. »Woher haben Sie den Finger?«
Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Kenny in der Schuhabteilung und vom anschließenden Fund des Fingers in meiner Jackentasche.
»Sehen Sie?« sagte Spiro. »Das ist der Unterschied zwischen Kenny und mir. Kenny muß sich immer künstlich in Szene setzen. Für ihn ist alles ein Spiel. Wenn wir als Kinder einen Käfer gefunden hatten, habe ich ihn einfach zertreten, aber Kenny mußte ihn erst noch umständlich mit der Stecknadel aufspießen, um auszuprobieren, wie lange es dauerte, bis er tot war. Kenny läßt andere gern ein bißchen zappeln, während ich das, was getan werden muß, möglichst schnell und glatt über die Bühne bringen will. Ich an seiner Stelle hätte versucht, Sie nachts auf einem menschenleeren Parkplatz zu erwischen, und Ihnen Georges Finger in den Hintern geschoben.«
Mir wurde schwindelig.
»Rein theoretisch gesprochen«, fügte Spiro hinzu. »Bei einem Klasseweib wie Ihnen würde ich so etwas natürlich nie machen. Es sei denn, Sie würden mich darum bitten.«
»Ich muß los.«
»Sollen wir uns nicht später irgendwo treffen? Wir könnten essen gehen. Nur weil Sie eine Landplage sind und ich ein Ekel bin, muß das noch lange nicht heißen, daß wir nicht zusammenpassen.«
»Da würde ich mir lieber ein Auge ausstechen.«
»Sie werden Ihre Meinung schon noch ändern«, sagte Spiro. »Ich habe wirklich was zu
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