Zweimal ist einmal zuviel
so aus, als ob er in finsteren Verstecken hausen müßte. Er war gewaschen und frisch rasiert, und er machte auch keinen hungrigen Eindruck. Er hatte saubere Klamotten an. Er schien mir bloß ein kleines bißchen… angesäuert zu sein. Er meinte, ich wäre eine Landplage.«
»Wer? Du? Eine Landplage? Wie kommt er bloß auf die Idee?«
»Auf jeden Fall lebt er nicht von der Hand in den Mund. Wenn er die Waffen verkauft, müßte er doch auch Geld haben. Vielleicht wohnt er außerhalb der Stadt in einem Motel. In New Brunswick zum Beispiel oder Atlantic City.«
»In Atlantic City wird steckbrieflich nach ihm gefahndet. Aber es ist nichts dabei herausgekommen. Bis heute war die Spur eiskalt. Daß er dich jetzt plötzlich auf dem Kieker hat, ist die beste Nachricht der Woche. Ich muß mich jetzt bloß hinter dich klemmen und abwarten, bis er wieder zuschlägt.«
»Toll. Ich spiele wahnsinnig gern den Köder für einen blutrünstigen Leichenverstümmler.«
»Keine Sorge. Ich paß schon auf dich auf.«
Ich schnitt eine Grimasse.
»Nun gut.« Morelli hatte seinen sachlichen Polizistenton angeschlagen. »Vergessen wir jetzt mal das Geflachse. Wir müssen uns ernsthaft unterhalten. Ich weiß, wie über die Morelli' und Mancuso-Männer geredet wird. Daß wir Penner, Säufer und Frauenhelden sind. Ich gebe auch gern zu, daß da einiges dran ist. Aber leider machen solche Pauschalverurteilungen den wenigen positiven Ausnahmen wie mir das Leben schwer.«
Ich schnaubte verächtlich.
»Dafür kommt ein Typ wie Kenny, dem man überall sonst auf der Welt das Etikett Soziopath verpassen würde, mit diesem Vorurteil noch viel zu gut weg. Als Kenny acht Jahre alt war, hat er seinen Hund angezündet, ohne auch nur das kleinste bißchen Reue zu zeigen. Er ist ein berechnender Charakter. Er interessiert sich nur für sich selbst. Er hat keine Angst, weil er keine Schmerzen kennt. Und dumm ist er auch nicht.«
»Stimmt es, daß er sich ein Stück vom Finger abgehackt hat?«
»Ja. Die Geschichte ist wahr. Wenn ich gewußt hätte, daß er dich bedroht, hätte ich einiges anders gemacht.«
»Was denn zum Beispiel?«
Morelli antwortete nicht gleich. »Erstens hätte ich dir den Soziopathenvortrag früher gehalten. Und zweitens hätte ich dafür gesorgt, daß du dich in einer Wohnung mit kaputtem Türschloß nicht hinter einer Gläserpyramide hättest verbarrikadieren müssen.«
»Bis vorhin wußte ich ja selbst nicht genau, wer es auf mich abgesehen hat.«
»Von heute an steckst du das Tränengas nicht mehr in die Handtasche, sondern trägst es am Gürtel.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, daß Kenny noch im Lande ist. Vermutlich denkt er gar nicht daran, sich abzusetzen, solange er von Spiro noch etwas zu kriegen hat.«
»Hat Spiro sehr entsetzt auf den Finger reagiert?«
»Auf mich wirkte er eher verärgert. Als ob ihm die Sache gar nicht in den Kram paßte. Er hat Angst, daß Con etwas davon erfährt. Spiro hat nämlich große Pläne. Er will den Laden übernehmen und Filialen aufmachen.«
Morelli grinste breit. »Filialen von einem Bestattungsinstitut?«
»Genau. Wie McDonald's.«
»Vielleicht wäre es am gescheitesten, wir warten einfach ab, bis Kenny und Spiro sich gegenseitig fertiggemacht haben. Dann brauchen wir zum Schluß nur noch die Reste vom Boden aufzukehren.«
»Apropos Reste. Was hast du mit dem Finger vor?«
»Ich möchte überprüfen, ob er an George Mackeys Hand paßt. Und dabei will ich Spiro ein bißchen auf den Zahn fühlen.«
»Lieber nicht. Er will mit der Polizei nichts zu tun haben. Er wollte weder die Leichenschändung noch Kennys Brief melden. Wenn du ihn jetzt in die Zange nimmst, feuert er mich garantiert.«
»Was schlägst du vor?«
»Gib mir den Finger. Ich bringe ihn morgen ins Bestattungsinstitut zurück. Vielleicht finde ich etwas heraus, was uns weiterhilft.«
»Das kann ich nicht zulassen.«
»Ach, nein? Der Finger gehört schließlich mir. Er steckte in meiner Jacke.«
»Nun reg dich nicht auf. Ich bin Polizist. Ich muß an meinen Auftrag denken.«
»Ich bin Kopfgeldjägerin. Ich muß ebenfalls an meinen Auftrag denken.«
»Na schön, du kannst den Finger haben, aber du mußt mir versprechen, mich auf dem laufenden zu halten. Bei dem kleinsten Anzeichen, daß du mir etwas verschweigst, drehe ich dir den Strom ab.«
»Einverstanden. Jetzt gib mir den Finger, und dann gehst du schön nach Hause, bevor du es dir wieder anders überlegst.«
Er legte den Plastikbeutel ins
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