Zweite Chance fuer die Liebe
hören. Ob sie ahnte, was sie seiner Konzentration antat? Er warf einen Seitenblick auf sie und stellte fest, dass sie eingeschlafen war.
Sie wirkte so zierlich und verloren in seinem Jackett. Er wusste, wenn sie es ihm zurückgäbe, würde es wie der Garten seiner verstorbenen Mutter riechen. Sobald sie ankamen, sollte seine Haushälterin es sofort in die Reinigung geben!
Als er merkte, wohin seine Gedanken abschweiften, runzelte er die Stirn. Er hatte zu arbeiten! Er durfte nicht über Lily nachdenken, wollte nicht ihre verletzte Miene vor sich sehen, als er ihren Erklärungsversuch barsch unterbrochen hatte. Ihr Lügengespinst interessierte ihn nicht im Geringsten. Und je weniger sie miteinander redeten, desto besser.
Es war verrückt, aber sie hatte eine Art an sich, die ihm unter die Haut ging. Als ihre Augen vorhin in der Bar tatsächlich feucht zu schimmern begonnen hatten, da hätte er ihr fast über die Wange gestreichelt, um sie zu trösten, und ihr versichert, dass alles wieder in Ordnung kommen würde. Lachhaft!
Es war nicht seine Aufgabe, ihr Problem zu lösen. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass sie bis zu Jordanas Hochzeit nichts anstellte, und Informationen zu liefern, die ihre Verhaftung – oder die eines anderen – rechtfertigten. Freundschaft mit ihr zu schließen oder gefühlsduselige Versprechungen zu machen, fiel nicht in seinen Verantwortungsbereich. Und Küssen schon mal gar nicht – auch wenn er genau das jetzt gern getan hätte.
Er schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte er wirklich den Verstand verloren, sich in die Sache hineinziehen zu lassen. Stuart, sein Freund und Kollege, der ihn auf diese uralte „Obhutsklausel“ aufmerksam gemacht hatte, schien das auf jeden Fall zu denken.
„Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?“, hatte er gefragt. „Falls sie schuldig sein sollte, wird man sich wundern, weshalb du dich da reingehängt hast. Es könnte deine Karriere ruinieren. Auf jeden Fall aber wird man deinen Familiennamen genüsslich durch den Dreck ziehen.“
„Ja, ich weiß“, hatte er geantwortet, obwohl das nicht stimmte. Er wusste nur, dass es da noch immer eine starke Anziehungskraft gab, genau wie vor sechs Jahren.
Nicht, dass er irgendetwas in diese Richtung unternehmen würde. Er ließ sich nicht mit Abhängigen ein. Seine Mutter war abhängig gewesen, zwar nicht von Partydrogen, aber von Medikamenten. Sie hatte eine ganze Palette geschluckt, von Diätpillen bis Antidepressiva. Das Resultat: Veränderte Persönlichkeit, Stimmungsschwankungen und letztendlich der Tod, als sie ihren Wagen frontal vor einen Baum gefahren hatte.
Seine Mutter war nicht leicht zu lieben gewesen. Sie hatte seinen Vater des Geldes und seines Titels wegen geheiratet, und seit Tristan sich erinnern konnte, hatte sie sich entweder darüber beschwert, dass ihr Mann zu viel arbeitete oder dass die Abbey unerträglich altmodisch sei. Sein Vater hatte sein Bestes getan, aber offensichtlich war das nicht gut genug gewesen. Nach einem Streit, von dem Tristan noch immer wünschte, er hätte ihn nicht mit angehört, war sie aus dem Haus gestürmt und nie wieder zurückgekehrt. Sein Vater war am Boden zerstört gewesen, und Tristan hatte sich damals geschworen, niemals eine Frau so nah an sich heranzulassen.
Er war jetzt zweiunddreißig Jahre alt, stand also in der Blüte des Lebens. Er nannte eine internationale Anwaltsfirma und Immobilien auf der ganzen Welt sein Eigen. Er hatte gute Freunde und genug Geld, dass er für sein Lebtag ausgesorgt hatte, selbst abzüglich der Summen, die er regelmäßig für wohltätige Zwecke spendete. Mochte sein, dass sein Leben in letzter Zeit einen leicht faden Geschmack bekommen hatte, aber das störte ihn vorläufig nicht weiter.
Jordanas Meinung nach lag es daran, dass er sich mit den falschen Frauen verabredete, und wenn er dann eine traf, die eine Beziehung „wert“ gewesen wäre, brach er den Kontakt nach kurzer Zeit ab. Der Grund dafür war einfach: Frauen erwarteten nach einer gewissen Zeit bestimmte Dinge von einem Mann, begannen von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft zu reden.
Daher achtete er darauf, seine Affären kurz zu halten. Eines Tages würde er bestimmt heiraten, aber Liebe würde bei der Wahl seiner Ehefrau wohl eher wenig Bedeutung zukommen. Nein, er brauchte eine Frau, die aus seiner Welt stammte, die die Anforderungen seines Lebensstils verstand. Eine Gattin, die logisch und pragmatisch war wie er.
Lily gab ein Wimmern
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