Zweite Chance fuer die Liebe
den Schreibtisch herum und blieb direkt vor Lily stehen. Ihr Herz schlug härter. Sie glaubte nicht wirklich, dass er handgreiflich werden würde, dennoch dachte sie instinktiv an Flucht.
„Also, dann lass uns doch mal zusammenfassen.“ Er stützte die Hände auf die Armlehnen ihres Stuhls, beugte sich vor, kam ihr ganz nah. „Mit vierzehn versteckst du einen Joint unter der Matratze meiner Schwester. Obwohl noch nicht volljährig, trifft man dich allabendlich in den anrüchigsten Nachtclubs der Stadt an. Auf der Geburtstagsfeier meiner Schwester schnupfst du Kokain vom antiken Schreibtisch meines Vaters, und heute erwischt dich der Zoll mit einer Tasche voller Schnee und Disco-Drops.“ Er umklammerte die Armlehnen so fest, dass die Muskeln seiner Unterarme arbeiteten. „Und jetzt sag mir, Honey, was ich noch über dich wissen muss.“
Lily war auf dem Stuhl immer weiter nach hinten gerutscht, bis ihr der Rücken wehtat. Für alles, was er da aufzählte, gab es eine vernünftige Erklärung, aber er war ja nicht an Erklärungen interessiert. Und ehrlich gesagt … sie war sein unmögliches Benehmen leid. So leid, dass sie ihm am liebsten an die Gurgel gegangen wäre.
„Was denn? Kein Kommentar? Keine Erklärungsversuche, wie es dazu kam, dass ich dich inmitten einer Gruppe von vollgedröhnten Idioten – darunter meine Schwester – mit einer zusammengerollten Fünfzigpfundnote in den Fingern über den Schreibtisch meines Vaters gebeugt vorgefunden habe? Und dann dieser Typ im Armani-Anzug hinter dir, der ausgesehen hat, als wollte er jeden Moment über dich herfallen …“
Lily wurde rot. Das war alles völlig anders gewesen, aber … So hatte es also ausgesehen? Wie konnte er überhaupt denken, sie wäre an dem Typen interessiert gewesen, nachdem sie damals doch gerade erst ihn mit aller Leidenschaft geküsst hatte? „Herrgott, wieso sollte ich … Oh.“ Sie brach abrupt ab. „Jetzt verstehe ich. Du hast gedacht, ich wäre von dir direkt zu ihm weitergewandert. Deshalb hast du mich auch eine billige Schlampe genannt.“ Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. „Manchmal bin ich wirklich begriffsstutzig. Jetzt kannst du noch ‚dumme Blondine‘ mit auf deine Liste setzen. Das heißt, wenn du es nicht längst getan hast.“
Blitzschnell packte Tristan ihre Handgelenke und zog Lily auf die Füße. „Hör endlich mit dieser Mitleidsnummer auf. Du bist ein Risiko eingegangen und auf die Nase gefallen. Jetzt löffle die Suppe gefälligst aus.“
Sie wollte ihre Hände losreißen, spürte jedoch an seinem Griff, dass es zwecklos war. Also hielt sie still und funkelte ihn nur wütend an. „Ich weiß wirklich nicht, warum ich mir einbilde, man könnte auch vernünftig mit dir reden. Fahr zur Hölle! Du hast dir dein Urteil gebildet, die Wahrheit hat dich nie interessiert, und …“
Ihr Herzschlag setzte beinahe aus, als Tristan sie hart an sich riss und seinen Mund auf ihre Lippen presste. Sie schmeckte seinen Ärger und seinen Zorn … und noch etwas. Etwas, das sie gleichzeitig anrührte und verwirrte. Sie wehrte sich, doch ihr Widerstand erlahmte schnell. Ihr Hirn schaltete sich ab und überließ dem Körper die Führung. Und der, so schien es, brauchte Tristans Kuss mehr als den nächsten Atemzug.
Tristan wusste genau, es war ein Fehler. Doch nun war es zu spät. Schon den ganzen Tag hatte er sich vorgestellt, wie er sie küssen würde, und jetzt hatte sich ein tiefer Urinstinkt in ihm von der Kette losgerissen und Logik und Zivilisiertheit zum Teufel gejagt.
Lily stöhnte auf, drückte mit den Händen gegen seine Schultern, und sofort minderte er den Druck seiner Lippen. In seinem Kopf befahl ihm eine strenge Stimme, damit aufzuhören. Rügte ihn, dass er sich wirklich wie ein dämlicher Ignorant benahm. Erinnerte ihn, dass er die Frau hasste, deren Lippen sich weich wie Samt anfühlten …
Sie verkörperte alles, was verkehrt lief in der modernen Gesellschaft. Sie nahm Drogen, war vergnügungssüchtig, egoistisch, eigennützig – genau wie seine Mutter. Und gerade, als er sich so weit zusammengenommen hatte, dass er sich von ihr lösen wollte, krallte sie die Fingernägel in seine Schultern, zog ihn näher, statt ihn von sich zu stoßen, und er war verloren.
Er vertiefte den Kuss, erkundete ihren Mund, und sie schmiegte sich an ihn, schob die Hände in sein Haar. Der leise Laut des Begehrens, der aus ihrer Kehle stieg, war ihm Einladung genug: Er schob die lästige Strickjacke beiseite
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