Zwergenbann: Roman
klangen entsetzt, von panischer Angst erfüllt. Und sie stammten eindeutig aus den Kehlen von Zwergen.
Gleich darauf war das Klirren von Waffen zu hören.
»Was -«
Barlok fuhr herum und presste dem Krieger die Hand auf den Mund.
»Still!«, zischte er. »Keinen Laut! Los, an die Wand, schnell!«
Hastig pressten er und seine Begleiter sich unterhalb des schräg in seiner Halterung hängenden Balkons, der ihnen jetzt Sichtschutz bot, gegen den Fels.
Das Waffengeklirr über ihnen erstarb schon nach wenigen Sekunden, ebenso die Schreie. Barlok zählte in Gedanken langsam bis hundert, dann bedeutete er den anderen zurückzubleiben und trat selbst ein paar Schritte vor. Niemand war in dem Durchgang zur Vorhöhle zu entdecken, was seine schlimmsten Befürchtungen noch verstärkte. Wenn die dort zurückgebliebenen Krieger im Kampf siegreich geblieben wären, hätte sich längst einer von ihnen gezeigt, um zu berichten, was geschehen war.
Wer immer sie angegriffen hatte, musste sie überwältigt oder gar getötet haben.
Barlok verdrängte den Schrecken und die Trauer, mit denen dieser Gedanke ihn erfüllte. Auch er und seine Begleiter schwebten in höchster Gefahr. Hier unten saßen sie in der Falle, wenn die unbekannten Angreifer auf die Idee kamen, dass noch weitere Zwerge sich hier befinden könnten.
»Weg hier!«, befahl er und deutete auf die Tür, den einzigen sichtbaren Ausgang. »Wir müssen zusehen, dass wir aus diesem Rattenloch rauskommen.«
So schnell es ihnen möglich war, eilten sie auf den Ausgang zu, aber es war schrecklich, sich über die Berge von Leichen vorwärtszubewegen. Knochen brachen unter ihrem Gewicht, und pergamentene Haut zerriss. Barlok musste nicht nur gegen seinen Ekel ankämpfen, er hatte auch die ganze Zeit über das Gefühl, die Toten zu schänden, obwohl sie nicht mehr spüren konnten, was mit ihren mumifizierten Körpern geschah.
Aber es war nicht nur in dieser Hinsicht entsetzlich, es war auch äußerst beschwerlich, sich auf diesem Untergrund voranzukämpfen.
Immer wieder rutschte einer von ihnen mit dem Fuß ab oder blieb irgendwo hängen und stürzte. Auch Barlok erlitt dieses Schicksal zweimal. Es war ein unbeschreiblich widerliches Gefühl, wie in einem obszönen Liebsakt auf den Toten zu liegen und sie mit den Händen zu berühren. Er fühlte sich so schmutzig und besudelt wie noch niemals zuvor, wozu auch der nach wie vor schier unerträgliche Gestank beitrug.
Immer wieder blickte er sich um und sah zu dem Durchgang oberhalb des Balkons zurück, aber auch weiterhin ließ sich niemand dort blicken. Wer immer die Krieger dort oben angegriffen hatte, schien nicht zu glauben, dass weitere Zwerge dem Angriff durch den Sturz in die Leichengrube entgangen sein könnten.
Unbeschadet erreichten sie die Stufen, die zu der Tür hochführten. Sie bestand aus massivem Holz und öffnete sich nicht, als Barlok die Klinke niederdrückte. Er hielt sich erst gar nicht mit der Frage auf, warum jemand einen Raum verschloss, in dem sich nur Leichen befanden.
»Aufbrechen!«, befahl er knapp.
Zwei der Krieger packten ihre Äxte und schlugen auf die Tür ein. Laut hallten die Hiebe wider, mussten in weitem Umkreis zu hören sein und jeden Feind, dem ihre Anwesenheit bislang entgangen war, auf sie aufmerksam machen, wie Barlok besorgt erkannte. Aber ohne Hilfe von außen gab es keinen anderen Weg, wenn sie aus dieser Grube wieder herauswollten.
Bei jedem der wuchtig geführten Hiebe drangen die scharfen Schneiden der Äxte tief in das Holz ein und ließen es zersplittern, dennoch dauerte es mehrere Minuten, bis sie eine ausreichend große Öffnung geschaffen hatten, dass die Zwerge sich hindurchzwängen konnten.
Frische Luft schlug ihnen entgegen. Wenigstens kam sie Barlok nach dem scheußlichen Gestank so vor, obwohl er sie vor dem Sturz in die Leichengrube vermutlich ebenfalls für kaum atembar gehalten hätte.
Sie befanden sich in einer einfachen, schmucklosen Halle. In
den Seitenwänden gab es Durchgänge zu weiteren Räumen, in denen irgendetwas gelagert war, doch reichte das Licht des Glühmooses nicht, um von hier aus zu erkennen, worum es sich handelte. Obwohl er wusste, dass der Lärm beim Einschlagen der Tür Feinde angelockt haben könnte und sie vermutlich keine Sekunde zu verlieren hatten, siegte Barloks Neugier über die Vernunft, und er eilte zu einem der steinernen Torbögen.
Dahinter erstreckte sich ein großer Raum, in dem stählerne Helme zu regelrechten Bergen
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