Zwergenbann: Roman
hätte.
Der Boden unter seinen Füßen war hart und fest, gesunder, solider Fels anstelle des nachgiebigen, federnden Erdreichs der vergangenen Tage. Nur noch vereinzelt wuchsen hier Bäume oder Buschwerk, und auch die letzten Gewächse blieben schließlich hinter ihnen zurück.
Vor ihnen erstreckte sich eine mehr als hundert Schritte durchmessende Felskuppe mit gewaltigen, wie von der Hand eines Riesen verstreuten Steinbrocken. Nur etwas Moos und vereinzelt ein paar dürre Gräser wuchsen hier. Ein angenehmer, frischer Wind strich über die Lichtung und kühlte ihre erhitzten Gesichter. Tief atmeten sie durch, sogar Malcorion.
Er führte sie noch ein Stück weiter, bis sie eine nach drei Seiten hin von hohen Steinen umgebene Mulde erreichten, wo sie vor dem Wind geschützt waren, der ihnen für den Moment erfrischend und wohltuend erschien, auf Dauer aber unangenehm werden würde.
Nicht einmal Feuerholz brauchten sie mehr zu sammeln, da sie in einer Ecke der Mulde einen Vorrat aufgeschichtet fanden, den Malcorion bei seinem letzten Aufenthalt hier zusammengetragen und nicht ganz benötigt hatte, wie er ihnen berichtete. Schon bald hatten sie ein prasselndes Feuer entfacht. Sie schlüpften aus ihren nassen Sachen, hüllten sich in die Decken, die sie zusammengerollt an ihren Rucksäcken trugen, und breiteten ihre Kleidung zum Trocknen auf den Felsen aus.
Die anstrengende Wanderung steckte ihnen in den Knochen, doch erstmals, seit sie die Elbenlichtung verlassen hatten, hatte Warlon das Gefühl, sich allmählich von den Strapazen zu erholen, da er endlich wieder frei durchatmen konnte. An den beiden letzten Abenden hatten sie sich einfach zu Tode erschöpft zu Boden sinken lassen, sich eine halbwegs bequeme Position gesucht und waren in unruhigen Schlummer gesunken, nachdem sie etwas gegessen und getrunken hatten, sogar zu müde, um sich noch zu unterhalten.
Heute war es anders. Das helle Sonnenlicht und die klare Luft
weckten ihre Lebensgeister wieder, und Warlon hatte das Gefühl, als würde ihm aus dem Felsboden neue Kraft zuströmen. Natürlich war er genau wie die anderen erschöpft, aber es war eine angenehme Mattigkeit, und er fühlte sich nicht müde. Auch das Essen schmeckte besser, da sie das geräucherte Fleisch nicht kalt hinunterzuwürgen brauchten, sondern es genau wie das allmählich hart und trocken werdende Brot über dem Feuer rösten konnten.
Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, stopfte der Waldläufer sich seine Pfeife.
»Du hattest versprochen, uns von Shaali zu erzählen«, erinnerte Ailin, als er keine Anstalten unternahm, von sich aus ein Gespräch zu beginnen.
Malcorion nickte bedächtig.
»Shaali«, wiederholte er und schwieg erneut einige Sekunden, während denen er seine Pfeife fertig stopfte und anzündete. »Ja, ich denke, ihr habt ein Recht, mehr über sie zu erfahren. Und auch über mich, denn es gibt etwas, das ihr wissen müsst, weil es für den weiteren Verlauf unserer Reise wichtig sein wird.«
Schon in Elem-Tenit hatte der Waldläufer angedeutet, dass der Weg, den sie einschlugen, etwas mit seiner toten Frau zu tun hätte. Warlon hoffte nur, dass er nicht vorhatte, aus nostalgischer Trauer eine beschwerlichere oder längere Route zu wählen, nur weil er dort einst mit Shaali zusammen gereist war, oder womöglich einen größeren Umweg plante, um ihrer Familie oder sonst jemandem die Nachricht von ihrem Tod zu überbringen.
»Was ich euch erzählen werde, reicht bis in die Zeit zurück, in der ich als Waldläufer unterwegs war«, begann Malcorion. »Eigentlich eine unsinnige Bezeichnung, denn die meiste Zeit habe ich mich weder im Wald aufgehalten noch bin ich gelaufen, sondern bin geritten oder gemütlich gewandert. Ich bin einfach nur frei wie ein Vagabund umhergestreift, um die Welt kennen zu lernen, und meine Reisen haben mich in Gegenden und fremde Länder geführt, von denen ihr vermutlich genau wie die
meisten Menschen hier in Lartronia noch nicht einmal gehört habt. Warum ich es getan habe?« Er zuckte die Achseln. »In erster Linie wahrscheinlich Abenteuerlust und Fernweh. Reichtümer haben mich nie interessiert, und ich habe es nie lange an einem Ort ausgehalten, wie schön oder interessant er auch gewesen sein mochte. Vor allem aber konnte ich mir nicht vorstellen, mich irgendwo auf Dauer niederzulassen, wenn es doch noch so viele Orte gab, wo ich nie zuvor gewesen war, so viele Wunder zu bestaunen, so viel zu entdecken und zu lernen. Ein innerer Drang
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