Zwergenbann: Roman
aus Raum und Zeit und war in weite Ferne gerichtet.
»Nach dem ersten Blick in ihre Augen war es um mich geschehen«, sprach er schließlich weiter. »Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte, aber mein Herz entflammte in Liebe zu ihr. Auch wenn es sich furchtbar pathetisch anhört, aber ganz genau so war es. Natürlich war ich mir all der Hindernisse bewusst, die einer Liebe zu ihr entgegenstanden. Sie war die Tochter eines Königs und ich nicht einmal ein Edelmann, sondern nur ein Vagabund, ein Gast, der nur geduldet wurde, um das Fest mit etwas exotischem Flair zu erfüllen. Sofern sie überhaupt auch nur ein Wort mit mir wechseln würde, konnte ich nicht erwarten, dass sie mir anders als mit unverbindlicher Distanziertheit begegnen würde.«
»Aber es kam anders, sonst wärt ihr wohl kaum ein Paar geworden«, vermutete Ailin.
»So ist es.« Malcorion zog ein paarmal an seiner Pfeife und blies den Rauch aus. »Ich hielt mich bewusst zurück, suchte sogar
schon nach Vorwänden, das Fest vorzeitig zu verlassen. Aber es kam anders. König Lorian bat mich an seinen Tisch, wo Shaali zu seiner Rechten saß, damit ich von meinen Abenteuern berichten sollte. Wollte ich mir nicht seinen Unwillen zuziehen, blieb mir nichts anderes übrig, als seiner Bitte nachzukommen, obwohl es mir schwerfiel, mich auf meine Erzählungen zu konzentrieren und nicht Shaali die ganze Zeit anzustarren.«
Warlon lächelte schmerzlich. Er konnte gut nachvollziehen, was in dem Waldläufer vorgegangen war. Obwohl die meisten Menschenfrauen nicht nur aufgrund ihrer Größe nicht dem Schönheitsideal eines Zwerges entsprachen, hatte selbst ihn Shaalis Anblick vom ersten Moment an in Bann geschlagen. Nicht allein durch ihre unbestreitbare Schönheit, sondern auch wegen des Gefühls von Sanftmut, Glück und innerem Frieden, das sie anders als zu der Zeit, von der Malcorion berichtete, wie eine Aura umgeben hatte. Wäre er ein Mensch gewesen und hätte sie unter anderen Umständen kennen gelernt, hätte er sich zweifellos ebenfalls in sie verliebt.
»Nachdem ich einige Zeit von meinen Erlebnissen erzählt hatte, entließ Lorian mich von seinem Tisch. Ich brauchte dringend etwas Ruhe, um meine Gedanken zu ordnen, und trat auf die Schlossterrasse hinaus. Zu meiner Überraschung folgte Shaali mir wenig später. Sie drängte mich, mehr von mir zu berichten, und nach einer Weile erzählte sie mir auch von sich und bestätigte meinen Eindruck, dass sie zutiefst unglücklich war. Trotz all der Pracht des Schlosses fühlte sie sich wie eine Gefangene, und in letzter Zeit drängte ihr Vater sie immer häufiger, sich unter den Edelleuten des Reiches einen Gemahl zu suchen, doch schon der Gedanke daran erfüllte sie mit Schrecken. Unter denen, die dem kritischen Blick das Königs standhielten, gab es keinen, der sie nicht langweilte oder mit seinem Streben nach Macht und Reichtümern abstieß, oftmals sogar beides.«
Erneut zog er ein paarmal gedankenverloren an seiner Pfeife, und sein Blick irrte in die Ferne.
»Uns blieb nicht allzu viel Zeit«, sprach er schließlich weiter. »Shaalis Verschwinden blieb König Lorian nicht verborgen, und auf der Suche nach ihr entdeckte er uns auf der Terrasse. Er war nicht zornig, sondern wirkte eher verständnisvoll amüsiert, dass sie nicht genug von abenteuerlichen Erzählungen aus fremden Ländern bekommen konnte, dennoch machte er ihr unmissverständlich klar, dass er von ihr erwarte, sich um die Edlen seines Reichs zu kümmern. Ihr blieb nichts anderes übrig, als schweren Herzens seinem Befehl zu folgen, denn um nichts anderes handelte es sich. Auch ich zog mich bald darauf zurück und verließ früh am nächsten Morgen das Schloss, um allem eventuellen Ärger aus dem Weg zu gehen. Doch ich war nicht der Einzige. An einer Weggabelung einige Meilen vom Schloss entfernt erwartete mich ein Reiter in einem langen Mantel und mit einem Hut, der sein Gesicht beschattete. Erst als ich ihn erreichte, erkannte ich fassungslos, dass es sich um niemand anderen als Shaali handelte. Aber meine Fassungslosigkeit wurde noch größer, als sie erklärte, dass sie sich heimlich aus dem Schloss geschlichen habe und nicht mehr dorthin zurückkehren wolle. Obwohl ich mich nach Kräften bemüht hatte, mir nichts anmerken zu lassen, hatte sie natürlich erkannt, welche Gefühle ich für sie hegte, und sie gestand, dass sie diese Gefühle teilte. Wenn ich ihr nicht gestatten würde, mit mir zu kommen, wollte sie
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