Zwergenblut: Roman
ihm einen Augenblick später bewusst wurde, dass dies nicht nötig war.
Die Geräusche wurden lauter, und kurz darauf schien
eine Woge von Helligkeit die Höhle zu durchfluten, in der er sich befand. In Dreierreihen kamen die Thir-Ailith heranmarschiert, gleißend helle Gestalten, noch um ein Vielfaches strahlender als die Hochelben. Aber Barlok wusste, dass es genau umgekehrt war, dass jede Helligkeit, die er sah, in Wahrheit Finsternis war. Und das bezog sich offenbar nicht allein auf die Farben, sondern ihre gesamte düstere magische Ausstrahlung, da die Thir-Ailith von Kopf bis Fuß hell erschienen, auch ihre bleichen Gesichter.
Er wich ein Stück bis an die Höhlenwand zurück, um mehrere Meter Distanz zwischen sich und die vorbeimarschierenden Dunkelelben zu bringen. Offenbar vermochten auch sie im Dunkeln zu sehen, vielleicht auf eine ähnliche Art wie er, da sie keine Lampen oder Fackeln oder sonstige Lichtquellen bei sich trugen.
Ihre bloße Ausstrahlung machte Barlok zu schaffen, die Aura von Bösartigkeit und finsterer Magie, die gerade er aufgrund seiner Vorgeschichte besonders deutlich spürte. Die Wesen vor ihm mochten nur künstlich erschaffene Drohnen ohne eigenen Charakter sein, aber hinsichtlich ihrer Aura unterschieden sie sich zumindest nicht von den echten Thir-Ailith. Eine eisige Kälte griff nach Barlok.
Er versuchte sich gegen ihre Ausstrahlung abzukapseln, hielt sich alles vor Augen, was ihm etwas bedeutete und weshalb er hier war, um mit seinen eigenen positiven Empfindungen einen Schutzwall gegen das Böse zu erzeugen, was bislang stets recht gut geklappt hatte. Auch jetzt merkte er, wie die erdrückende Aura rasch nachließ und seine Gedanken sich wieder klärten.
Diese Armee war auf dem Weg an die Oberfläche. Die Thir-Ailith würden die Heere seines Volkes, der Menschen und der Elben angreifen, und wenn sie es geschafft hätten,
würden sie über die Städte an der Oberfläche herfallen und nicht eher ruhen, bis es ihnen gelungen war, jedes Leben auszulöschen, aber das war zumindest im Moment nicht seine Angelegenheit. Es lag nicht in seiner Macht, sich den Kriegern der Dunkelelben entgegenzustellen und sie irgendwie aufzuhalten. Sein Auftrag war ein anderer, vielleicht die einzige winzige Hoffnung, die ihnen gegen diesen unbesiegbar erscheinenden Feind noch blieb.
Immerhin konnte er sich damit trösten, dass es noch viele Stunden dauern würde, bis sie Elan-Dhor erreichten, wenn sie in diesem Tempo weitermarschierten. Es war ihnen gleichgültig, ob sie den Zwergen dadurch mehr Zeit ließen, Verteidigungsstellungen zu errichten, sie würden sie durch ihre schiere Zahl ohnehin überrennen. Auch wussten sie nicht, dass mit jeder verstreichenden Stunde weitere Krieger eintrafen, und hätten sie es gewusst, wäre es ihnen vermutlich auch egal gewesen.
Mehrere Dutzend Reihen der Thir-Ailith waren bereits an ihm vorbeimarschiert, als Barlok die Kraft fand, seine Wanderung fortzusetzen. Sein Weg führte ihn den Dunkelelben genau entgegen, und er wusste, dass er sie für die restliche Strecke neben sich haben würde. Das zu ertragen würde schwer werden, aber er war entschlossen, sich der Herausforderung zu stellen.
Zweifelnd und besorgt blickte Warlon auf den fast wie tot aufgebahrt daliegenden Körper seines Freundes und Mentors hinab. Seine eingeölte Haut sah bleich, fast wächsern aus, und seine Brust hob und senkte sich nur noch so schwach, dass man sehr genau hinschauen musste, um zu sehen, dass er überhaupt noch atmete.
Warlon war sich nicht sicher, was er von alldem halten
sollte, obwohl er es schließlich selbst gewesen war, der Barlok dazu überredet hatte. Der Gedanke, dass sich die Seele des Kriegsmeisters aus seinem Körper gelöst haben und sich nun als reines Geistwesen auf dem Weg in die Tiefe befinden sollte, war so bizarr, dass auch er es sich nicht richtig vorstellen konnte. Zudem bereitete ihm noch Gelinians Äußerung Sorgen, dass selbst diese Wanderung nicht frei von Gefahren war - dass die Möglichkeit bestand, Barlok würde auch in dieser Gestalt entdeckt werden und Angriffen ausgesetzt sein, und als bloße Seele gab es für ihn vermutlich nicht einmal eine Möglichkeit, sich zu verteidigen.
Tharlia, die Priesterinnen und alle Elben bis auf einen der Magier, der über Barlok wachen sollte, waren mittlerweile gegangen. Unter normalen Umständen benötigte ein Zwerg einen knappen Tagesmarsch bis zu der gigantischen vermeintlichen Goldader, hinter der das
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