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Zwergenfluch: Roman

Zwergenfluch: Roman

Titel: Zwergenfluch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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andere zu bestehlen, aber die Umstände hatten ihm keine andere Wahl gelassen. Einst hatte er dem ruhmreichen Hause Terenis angehört. Er war ein Mitglied der Kriegerkaste gewesen und hatte sich den Ruf eines tapferen und mutigen Kämpfers erworben. Der berühmte Barlok hatte ihn ausgebildet und ihm prophezeit, dass er es einmal weit bringen würde. Dann jedoch …
    Unwirsch schüttelte Lokin den Kopf. Es hatte keinen Sinn, zu viele Gedanken an die Vergangenheit zu verschwenden; was geschehen war, war geschehen. Nur die Gegenwart zählte, und wenn sein Vorhaben gelingen sollte, benötigte er seine volle Konzentration. Sein Plan war auch so schon gefährlich genug, Ablenkungen konnte er sich nicht leisten.
    In den Zeiten des Überflusses war der Reichtum des Hauses Lius geradezu legendär gewesen. Aber diese Zeiten lagen lange zurück. Der wirtschaftliche Niedergang Elan-Dhors hatte auch vor dem Haus Lius nicht Halt gemacht, aber auch wenn seine Kassen nicht mehr annähernd so gut gefüllt waren wie früher, so besaß es trotzdem noch immer große Vermögenswerte. Allein so manche Flasche aus dem umfangreichen Weinkeller würde beim Verkauf unter der Hand genügend einbringen, um Lebensmittel für viele Wochen zu kaufen, und Lokin hoffte, dort noch viel Wertvolleres als nur Wein zu finden.
    Mehr als eine Stunde hatte er mittlerweile die auf dem Anwesen patrouillierenden Wachen beobachtet und sich ihren Rhythmus eingeprägt. Obwohl Verbrechen innerhalb Elan-Dhors eine Seltenheit darstellten, verzichteten zumindest
die mächtigen Häuser nicht darauf, sich zu schützen. Die Nacht hatte ihren Höhepunkt bereits überschritten, in zwei, drei Stunden würde die Dämmerung beginnen. Nur aus wenigen Fenstern drang noch gedämpftes Licht. Auch ein Großteil der Lampen, die die im Laufe von Jahrtausenden immer prachtvoller verzierte Fassade des Hauses die meiste Zeit über anstrahlten, waren erloschen. Einzig der Bogen über dem prunkvollen Hauptportal war auch jetzt von sich ringelnden bläulichen Flammen umgeben: magisches Feenfeuer, das niemals erlosch, eine Schöpfung von Tharlia der Hexe, der Hohepriesterin Li’thils. Aber Lokin hatte nicht vor, dem Portal auch nur nahe zu kommen, und der größte Teil des übrigen Anwesens lag im Dunkeln.
    Der Zeitpunkt konnte kaum günstiger werden. Lokin beschloss, nicht länger zu warten. Wie ein Schatten huschte er auf das hohe, schmiedeeiserne Gitter zu, das den gesamten Besitz umgab und an seinen Außenkanten von vier wuchtigen, meterhoch aufstrebenden Stalagmiten begrenzt wurde. Noch einmal hielt er kurz inne und lauschte, dann kletterte er rasch und lautlos an den stählernen Gitterstreben in die Höhe. Die Verzierungen boten seinen Händen und Füßen genügend Halt. Geschickt schwang er sich über die dolchartigen Spitzen an der Oberkante. Auf der anderen Seite kletterte er ebenso lautlos wieder hinab und duckte sich sofort in den Schatten einer Skulptur.
    Leise Stimmen drangen an sein Ohr. Zwei Wachen näherten sich auf ihrem Rundgang. Glücklicherweise versahen sie ihre Pflicht nicht besonders aufmerksam, sondern schwatzten miteinander und achteten kaum auf ihre Umgebung. Lokin blieb unentdeckt. Er wartete, bis die beiden sich entfernt hatten, dann huschte er auf eine kleine Pforte in der Seitenwand des Gebäudes zu. Ihm blieben nur wenige
Minuten, bis die Wachen zurückkehrten, doch er war sicher, dass die Zeit ausreichte.
    In den vergangenen Wochen hatte er gründliche Erkundigungen über das Haus Lius eingeholt, hatte sogar eine Magd verführt, nur um an die nötigen Informationen heranzukommen. So hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Pforte nur verschlossen, nicht aber von innen verriegelt war.
    Aus der Tasche zog er einen ledernen Beutel, der mehrere gebogene Haken enthielt, die Lokin in das Schloss einführte. Obwohl die Handwerkskunst der Zwerge nach wie vor unübertroffen war, hätte er in ganz Elan-Dhor niemanden gefunden, der ihm solches Einbruchswerkzeug angefertigt hätte. Er hatte es von einer seiner vielen Reisen in die Menschenstädte an der Oberfläche mitgebracht, wo er mittlerweile fast mehr Zeit verbrachte als in der Tiefenwelt und auch seine zu erwartende Beute in klingende Münze umzusetzen plante. Die Menschen zahlten nicht nur bedeutend besser für Zwergenkunstwerke, es war auch sehr viel ungefährlicher, mit ihnen Geschäfte zu machen, als wenn er versucht hätte, Diebesgut innerhalb Elan-Dhors zu verkaufen.
    Nur wenige Sekunden lang musste er mit

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