Zwergenfluch: Roman
unvergleichlich. So ausgeprägt seine Abneigung gegen dieses Element auch war, musste Warlon dennoch zugeben, dass das Spiel des Wassers, die kleinen, sich durch die Bewegungen des Floßes sanft in alle Richtungen ausbreitenden und schließlich verlaufenden Wellen von einer einzigartigen Symmetrie waren.
Darüber hinaus war das Meer nicht leer, sondern sogar im Wasser gab es Leben. Manchmal konnte er unter der Oberfläche für Sekunden bunt geschuppte Fische sehen, die das Floß ein Stück weit begleiteten, ehe sie wieder in die Tiefe abtauchten. All dies vermittelte ein Gefühl von Frieden und Ruhe, das sich beinahe mit dem in der Kristalloase vergleichen ließ.
Vielleicht hätte Warlon sogar tatsächlich Gefallen an der Überfahrt finden können, wenn nicht der Gedanke an den Albtraum gewesen wäre, dem er am gestrigen Tag nur knapp entronnen war und der ihn nun erneut erwartete.
Alles in allem kostete die Überquerung des Meeres sie mehr als zwei Stunden, aber wenigstens hatten die Männer genügend Zeit gehabt, sich auszuruhen, sodass sie ihren Weg ohne weitere Verzögerung fortsetzen konnten, als auch Warlon mit den letzten Kriegern das jenseitige Ufer erreichte. Im Gegensatz zur anderen Seite war es nicht felsig, sondern mit Erde und Sand bedeckt, und ein kleines Wäldchen seltsamer Pflanzen erstreckte sich hier. Es handelte sich um schlanke baumartige Gewächse, doch ohne ein einziges Blatt. Stattdessen verzweigten sich die Äste in der Höhe zu tellerartigen Auswüchsen. Die Bäume schienen zu leuchten, da sie über und über mit einer dünnen Schicht Glühmoos bewachsen waren. Von ihnen stammte das Holz für die Flöße.
»Ehrenwerter Thronfolger, da ich ab hier als Einziger den genauen Weg kenne, werde ich von nun an die Führung übernehmen«, wandte sich Warlon an Farlian. »Ich schlage vor, dass Ihr Euch nicht länger an der Spitze, sondern im Mittelfeld aufhaltet, wo Ihr nach allen Seiten hin von den Kriegern geschützt werdet.«
»Warum sollte ich das tun, immerhin befehlige ich diese Expedition«, erwiderte Farlian herablassend. »Gefahr durch
Eure angeblich unsichtbaren Wesen dürfte uns wohl erst drohen, sobald wir den eingestürzten Stollen freigelegt haben. Bis wir ihn erreichen, werde ich auch weiterhin an der Spitze marschieren.«
»Dieses Gebiet ist so gut wie unerforscht. Niemand weiß, welche anderen möglichen Gefahren uns hier erwarten. Zumindest Goblins und Gnome halten sich oft in dieser Gegend auf.«
»Und vor diesen einfältigen Plagegeistern soll ich mich fürchten? Ihr beleidigt mich, Warlon! Außerdem herrscht schon seit Jahren zwischen uns und den Goblins Frieden.«
»An den sie sich aber nicht halten.«
»Dann sollen sie uns ruhig angreifen. Mit meiner Axt werde ich ihnen höchstpersönlich eine blutige Lehre erteilen und ihnen den nötigen Respekt beibringen.«
Warlon seufzte bei der Vorstellung, der schwerfällige Thronfolger würde seine Axt nach den flinken Goblins schwingen. Er hätte Farlian wahrhaft lieber inmitten eines lebenden Schutzwalls aus seinen Kriegern gewusst.
»Die Goblins werden es ganz bestimmt nicht wagen, eine so große Kriegertruppe offen anzugreifen, und ich will auch Eure Kampfkunst gewiss nicht anzweifeln«, behauptete Warlon. »Aber gegen einen heimtückisch aus dem Hinterhalt abgeschossenen Pfeil seid auch Ihr nicht gefeit, und wenn, dann werden sie am ehesten die Männer an der Spitze unter Beschuss nehmen. Warum wollt Ihr Euch solch einem unnötigen Risiko aussetzen? Euer Leben ist wertvoller als das aller anderen hier.«
Was das betraf, hatte Warlon zwar ganz erhebliche Zweifel, aber seine Worte schienen dem Thronfolger zu schmeicheln. Zumindest zögerte er und dachte über den Ratschlag nach, von dessen Richtigkeit Warlon fest überzeugt
war. Sollte Farlian etwas zustoßen, würde er persönlich ihm keine Träne nachweinen, doch mit Sicherheit würde König Burian ihn dafür zur Verantwortung ziehen, wenn auch nur der geringste Grund zu der Annahme bestand, dass er nicht alles in seiner Kraft Stehende getan hatte, um den Thronfolger zu schützen. Er glaubte eigentlich nicht an einen Überfall durch Gnome oder Goblins, aber es mochten in der Tat noch andere, bislang unbekannte Gefahren in diesem Gebiet lauern, die ihnen bei der ersten Expedition entgangen waren. Warlon verspürte keinerlei Lust, sein eigenes Ansehen zu riskieren, nur weil Farlian unbedingt unsinnigen Mut und falsch verstandenen Stolz demonstrieren wollte. Vor allem aber
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