Zwergenkinder (04) - Der Kristall der Zwerge
schnappen, doch Lirandil zog die Hand zurück und schloss sie. »Nicht Ihr, werter Ambaros, sollt diese Münzen erhalten, sondern Tomli.«
Ambaros machte ein beleidigtes Gesicht. »Wenn Ihr den Verdacht hegt, ich wollte mich daran bereichern, schätzt Ihr mich und meinen Charakter vollkommen falsch ein.«
»Ich schätze Euch vollkommen richtig ein, werter Ambaros. Zumindest in der Hinsicht, dass Ihr nichts von Magie versteht.«
»Nun, das habe ich auch nie behauptet …«
»Tomli dagegen versteht sich darauf sehr gut. Darum soll er die Münzen bekommen und entscheiden, wofür er sie ausgibt.«
Mit diesen Worten reichte Lirandil dem Zwergenjungen das Elbensilber.
Tomli erschauderte regelrecht, als der Elb ihm auch noch die Hand auf die Schulter legte und sagte: »Ich vertraue auf deine Fähigkeit, das Richtige zu erkennen.«
Lirandil schien Tomli mehr zuzutrauen, als dieser sich selbst. Der Zwergenjunge konnte es kaum fassen. Er wollte etwas sagen, doch ein dicker Kloß saß ihm im Hals, und so brachte er keinen einzigen Ton heraus.
Er blickte auf seine Handfläche und sah, wie sich die Gravuren auf den Münzen veränderten. Sie zeigten die Gesichter berühmter Elben, meist waren es Könige: »Daron, Keandir, Eandorn, Péandir, Elbanador …« Eine Gedankenstimme in seinem Kopf murmelte den Namen des jeweiligen Elben, wenn sich Tomli auf die entsprechende Münze konzentrierte.
»Sie sind nicht zum Herumspielen da«, drangen Lirandils mahnende Worte in sein Bewusstsein.
Auf dem Weg zur Stadtmauer sagte Olba zu dem elbischen Fährtensucher: »Wenn Ihr mich mitgenommen habt, damit ich Euch etwas über die Zukunft erzähle, muss ich Euch leider enttäuschen.«
»Lass uns nachher darüber reden«, wehrte Lirandil ab.
»Ich sehe im Moment nichts, das irgendeinen Sinn ergeben würde.«
»Olba, es ist schwer genug, unbemerkt zu den Zinnen zu gelangen«, sagte Lirandil. »Es ist noch schwerer mit einem Zwergenmädchen an der Seite. Und geradezu unmöglich ist es selbst für den besten Elbenmagier, wenn dieses Zwergenmädchen redet wie ein Wasserfall. Also sei jetzt still und folge mir einfach.«
Olba biss sich auf die Lippen und schluckte die Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag.
Ein Hauptmann der Stadtwache kam ihnen entgegen. Er starrte zuerst Lirandil und dann Olba stirnrunzelnd an, während sich seine Hand um den Schwertgriff legte. Da machte Lirandil eine Handbewegung und murmelte eine Formel, woraufhin der Hauptmann an ihnen vorbeiging und sie nicht einmal mehr zu bemerken schien.
»Ein fast vergessener Elbenzauber, der bewirken soll, dass man übersehen wird. Er ist aber nicht immer zuverlässig. Also verhalte dich unauffällig«, raunte Lirandil Olba zu.
Die beiden stiegen eine der Treppen hoch, die zu den Wehrgängen auf der Stadtmauer führten. Aus den Augenwinkeln bemerkte Olba, wie ein halbes Dutzend zylopischer Riesen Holzbalken herbeischaffte. Doppelt so viele Zimmerleute verbarrikadierten damit das große Haupttor von Hiros.
Das konnte nichts Gutes bedeuten. Man rechnete offenbar damit, dass die Belagerung länger andauern würde.
Lirandil und Olba mussten einer Kolonne von Bogen- und Armbrustschützen ausweichen. Auch von denen achtete niemand auf den Elb und das Zwergenmädchen.
Dann aber stieß Olba mit einem Hornbläser zusammen. Sie war einem großen Katapult ausgewichen, weil sie vorausgesehen hatte, dass sie sich gleich den Fuß unter dem Hinterrad einquetschen würde. Es rollte gut einen Schritt zur Seite. Jemand aus der Bedienmannschaft hatte vergessen, Keile unter die Räder zu legen.
Dass sie stattdessen mit dem Hornbläser zusammenstieß, hatte sie nicht vorhergesehen.
Aber auch der schien gar keine Notiz von ihr zu nehmen.
»Entschuldigung«, murmelte Olba.
Der Hornbläser sah sie nur verständnislos an. Wenig später hörte das Zwergenmädchen, wie einer der Hauptmänner ihn anwies, ein Signal zu blasen, um zusätzliche Munition für die Katapulte zu ordern.
Olba und Lirandil traten an die Zinnen. Ein Bogenschütze ging sogar für sie zur Seite, als Lirandil ihn darum bat. Nun waren sie wieder für jeden wahrnehmbar.
»Wir brauchen die Magie eines Elben jetzt mehr denn je«, sagte der Bogenschütze und deutete hinaus vor die Stadt, wo die Wüste der Sandlande von Rhagardan begann.
Noch bevor Olba zwischen den Zinnen hindurchsehen konnte, war ihr ganz mulmig zumute. Ich hätte es voraussehen müssen! , schoss es ihr durch den Kopf.
Riesenhafte wurmähnliche
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