Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
Vom Netzwerk:
„Man weiß ja nie“, sprach der Alte mit erhobener Stimme, „man weiß ja nie!“ Haggy beließ es dabei, konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, wofür man Storchenbeine brauchen konnte. Außerdem, so schoss es ihm durch den Kopf, würden sie wohl nicht seit Jahrzehnten hier unten liegen, wenn sie zu irgendetwas taugen würden.
    Sein Vater hatte aber gerade einen Nutzen gefunden. Er stocherte mit ihnen, sein Kopf war wieder halbwegs sichtbar, im Gerümpelhaufen herum. „Was suchst du eigentlich?“, fragte Haggy. „Nur nicht so ungeduldig“, schallte es zurück. „Wirst du schon sehen!“ Plötzlich schleuderte der Vater mit seiner Rechten eine armlange, verrostete Kiste in die Höhe. „Da ist es ja!“, rief er freudestrahlend. „Hilf mir, ich stecke fest!“ Der alte Zwerg hatte immer noch etwa drei Viertel seines Kopfes in dem Haufen mit Kram aller Art eingetaucht. Seine Arme hatte er jedoch wieder befreien können und versuchte nun, sich mittels Bein- und Armstrampelns wieder zu befreien. Haggy hielt sich den Bauch vor Lachen, während er das Schauspiel genoss. Er entdeckte einen alten, komplett schwarzen Holzbalken, der quer über dem Haufen lag, und identifizierte ihn als Quelle der Blockade des Vaters. Er ergriff den Balken und war von dessen Gewicht überrascht. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihm, das massive Holzstück zur Seite wegzustoßen. Der Kopf seines Vaters schnellte hoch: „Wo ist die Kiste?“ „Dort drüben!“ Haggy zeigte Richtung Eingang. „Aaaah“, frohlockte der Vater und stürmte der Kiste entgegen, wobei er nochmals strauchelte.
    Haggys Vater nahm die Kiste an sich , und sie gingen wieder hinauf. Haggys Mutter lächelte mysteriös, als sie die Kiste sah. „Mist!“ Der Vater schien etwas zu suchen. „Was ist denn?“, fragte Haggy. „Der Schlüssel muss noch irgendwo unten liegen.“ Nun schaltete sich die Mutter ein: „Du glaubst doch nicht etwa, dass du den kleinen Schlüssel in der Rumpelkammer wiederfindest? Jedenfalls nicht, bis das Besetzte Land wieder befreit ist!“ „Aber was machen wir dann?“ Er sah unglücklich aus. Wieder lächelte die Mutter. Sie legte den halb fertigen Pullover, an dem sie gerade strickte, zur Seite und entfernte vorsichtig die Stricknadeln. Dann begab sie sich zur Kiste und steckte eine der Nadeln in das kleine Schloss. Konzentriert streckte sie ihre Zunge etwas heraus und ihre Augen blickten nach oben. Mit der linken Hand hielt sie das Schloss, mit der rechten bewegte sie geschickt die Stricknadel. Plötzlich klackte es laut, und das Schloss sprang auf! „Juchhu!“ Haggys Vater jubilierte und wollte seiner Frau einen ungestümen Kuss auf die Stirn geben, traf aber ihr linkes Auge. Sie lachte und wischte sich den Speichel von den Wimpern. Haggys Vater kniete nun wieder vor der Kiste, ergriff den Deckel und öffnete ihn behutsam. Haggy versuchte, an seinem Vater vorbeizuspähen, sah jedoch nicht viel.
    „Da ist sie.“ In beiden Händen, vo n sich gestreckt, hielt der Vater ein altes, verrostetes Rohr mit einigen Anbauten dran. „Was ist das?“ Haggy erkannte immer noch nichts. Das kräftige Lachen seines Vaters erscholl wieder. „Die beste Flinte des Besetzten Landes“, sagte er voller Inbrunst. „Das alte Kupfergestell?“ Haggy lächelte und zweifelte, aber nur ein wenig. Wenn sein Vater so etwas sagte, würde es zumindest einen gewissen Wahrheitsgehalt haben. „Ja“, sagte der dann auch. „Hier, halt mal!“ Jetzt erst konnte Haggy das ganze Gerät sehen. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Im Prinzip handelte es sich um ein angerostetes Kupferrohr, an dem ein Abzug, Kimme und Korn und eine marginale Schulterstütze befestigt waren. „Schießt die wirklich gut, die alte Kupferbüchse?“, fragte er. „Ja, klar.“ Sein Vater klang absolut überzeugt. Er trat ans Fenster und öffnete die Holzplanken davor schwungvoll. „Schau, da hinten, da liegen noch ein paar Holzdosen auf dem Boden. Kannst du die erkennen, oder ist es zu dunkel?“ Haggy hatte keine Mühe, die Dosen zu erkennen. „Die wollte ich mit Suppe füllen!“, protestierte seine Mutter. „Ach was“, erwiderte der Vater. „Brauchst du nicht, die Suppe verputzen wir sofort!“
    Haggy trat ans Fenster und überprüfte noch mal, ob er den Kolben tatsächlich richtig herum hielt. Er legte an, zielte auf eine der Dosen … und nahm das Gewehr wieder herunter. „Was ist los?“, fragte sein Vater ungestüm. „Baller schon los!

Weitere Kostenlose Bücher