Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
Vom Netzwerk:
Zeit sah er in der Dunkelheit. Nicht gut, aber durch einen grünen Schimmer erkannte er genug, um sich zu orientieren. Er passierte die erste Ebene des Kellers und setzte seinen Weg fort. Auch die zweite Kellerebene ließ er hinter sich. Erst ganz unten, dort, wo die Treppe das dritte Kellergeschoss erreichte und endete, stoppte er. Es war stockdunkel hier unten und roch modrig. Die Gegensätzlichkeit des Ortes hier zu der Pracht des oberirdischen Palastes entlockte ihm ein grimmiges Lächeln. Als er das erste Mal in den Keller kam, entsetzte ihn der Zustand, den er damals noch mithilfe einer Lampe erblickt hatte. Er hatte sogar darüber nachgedacht, den Keller ausstatten zu lassen! Inzwischen hatte er sich an die Umgebung gewöhnt und fühlte sich in diesen tristen Katakomben zunehmend wohl.
    Er rannte weiter, das Treppenhaus hinter sich lassend. Gram ging zielsicher durch die pechschwarzen ersten Räume und sog die Atmosphäre der Umgebung in sich ein. Bald durchschritt er einen Wanddurchlass, der wohl mal eine Tür hatte tragen sollen. Dahinter lag sein Ziel; ein größerer, kuppelartiger Raum, von Steinwänden begrenzt. In der Mitte des Raumes, den außer Gram seit Jahrzehnten niemand mehr betreten hatte, befand sich eine Art Empore. Darauf wiederum stand ein Tisch, aus Holz und Stein gefertigt. Gram nahm an, dass der Tisch einmal als Altar gedacht gewesen war, zu einer Zeit, in der die Götter des Besetzten Landes noch eine Rolle spielten und einige Angestellte ihm hier wohl huldigen wollten.
    „Jetzt bist du tatsächlich ein Altar“, dachte er sich. An jeder Ecke des Tisches stand ein Kranz aus vier Kerzen. Gram machte eine kurze Handbewegung über dem Tisch, die einem Wischen gleichkam. Sofort loderten die sechzehn Kerzen hell auf. Gram neigte das Haupt. „Meister, ich rufe Euch“, sprach er leise und andächtig.
    Ein grünes Leuchten erschien über der Mitte des Tisches. Das Leuchten nahm langsam Form an. Es deutete eine Figur an, war etwa drei Handbreit hoch und manifestierte sich weiter.
    Eine dunkle, grausame Stimme ertönte: „Ihr ruft mich, Gram. So sagt mir, was geschehen ist.“ „Meister, sie hat abgelehnt. Sie liefert das Besetzte Land nicht aus.“ „Dann besteht für sie keine Hoffnung mehr.“ „Das weiß ich, Meister.“ „Du aber, Gram, wirst den dir vorbestimmten Platz einnehmen, wenn die Zeit gekommen ist. Den Platz an meiner Seite.“
    Gram lächelte zufrieden. Doch bevor er seine Schwester endgültig aufgäbe, würde er ihr noch einen Besuch abstatten. Schließlich war sie immer noch seine Schwester und hatte daher eine Spezialbehandlung verdient.

Stadt Pruda
    Es war ein schöner, wolkenloser Morgen, der gute Laune bewirkte. Haggy hatte seine Siebensachen gepackt und sich von seinen Eltern verabschiedet. Seine Mutter hatte die eine oder andere Träne vergossen. Er wusste, sie würde in Gedanken bei ihm sein, wo immer er sich auch herumtreiben würde. Bei seinem Vater hatten sich Trauer und Unternehmungslust abgewechselt, sodass er vom Weinen ins Lachen verfiel und umgekehrt. „Gut, dass ich nicht seine ganze Impulsivität geerbt habe“, dachte Haggy und grinste innerlich.
    Über seine rechte Schulter hatte er die Stange gelegt, an der sein Beutel mit seinen Reiseutensilien hing; darin eine Ersatzunterhose – er wusste schließlich nicht, wie viele Monate sie fort sein würden –, eine alte Bürste, die er zur Zahnreinigung benutzte, ein kleines Stück Seife, etwas Brot und getrocknete Nahrungsmittel, Früchte und Fleisch. Das wenige Gold, das er besaß, trug er lieber in seiner Hosentasche. Die Dunkelelfen zahlten schlecht, sie brauchten das meiste Gold für sich alleine. In der linken Hand hielt er die Kupferbüchse, die er in Leinen eingewickelt hatte. Klar sah das irgendwie komisch aus, aber keiner sollte auf die Idee kommen, dass er eine Waffe bei sich trug. Die Vorstellung, dass ein Zwerg mit einer Waffe offen durch die Gegend lief, war so abstrus, dass er es riskieren konnte. Außerdem hatte mit Sicherheit seit Beginn der Besatzung keiner mehr eine Büchse gesehen. Derart eingewickelt würde man die Büchse wohl eher für einen gut verpackten Fisch halten.
    Fröhlich vor sich hin pfeifend streifte Haggy durch Prudas Gassen. Langsam erwachte das Leben, die ersten Lebewesen machten sich auf den Weg zur Arbeit. Erste Geschäfte öffneten, und auch eine erste Dunkelelfenpatrouille schlich gähnend eine entfernte Gasse entlang.
    Haggy war mit seinen Gedanken alleine. Wohin

Weitere Kostenlose Bücher