Zwergensturm
unterschätzt, der sie so ebenfalls aus dem Gleichgewicht brachte und auf den Boden beförderte, direkt vor die Füße eines anderen Räubers. Otto war vor Schreck ganz steif. Der Räuber über Zahrin sah das, doch statt der wehrlosen Zahrin einen Hieb zu verpassen, sprang er überraschend über sie hinweg und rammte seinen rechten Dolch in Ottos Hüfte. Otto verzog das Gesicht voller Schmerzen und krümmte sich zusammen.
Haggy schrie vor Schreck laut auf, doch die beiden verbliebenen Räuber erkannten die Gunst der Stunde, taten ein paar Schritte, ergriffen die immer noch am Boden liegende Zahrin und begannen, sie wegzuschleifen. Haggy legte wieder die Büchse an und zielte einem der beiden auf das Bein. Sein Herz klopfte so schnell, dass er Mühe hatte, die Waffe ruhig zu halten. Gerade als er abdrücken wollte, schlug ihm der Räuber, der auf Otto eingestochen hatte, die Flinte aus der Hand. „Was soll ich machen?“ , rief Tinchena aufgeregt hinter ihm. „Verbrutzel ihm … die Schuhe!“, rief Haggy. Tinch antwortete fragend: „Die Schuhe?“ „Ja, die Schuhe. Oder irgendwas anderes. Aber mach was!“ Tinchena kniff die Augen zusammen, stellte sich breitbeinig auf und konzentrierte ihren Blick auf den rechten Schuh des Räubers, der fragend zu ihr herübersah. Ihre linke Hand deutete auf den Schuh, ihre rechte beschrieb einen kleinen Kreis. Eine kleine Flamme, nicht größer als ein Kerzenlicht, entzündete sich am Schnürsenkel des Schuhs. Lauthals lachte der Räuber auf. „Wer bist du denn? Eine mächtige Zauberin, die sich darin versteht, ein Kerzlein zu entzünden?“ Otto warf sich, immer noch am Boden, dem Räuber von hinten entgegen und stach sein Fleischmesser tief in dessen Kniekehle, sodass nun auch dieser schreiend zu Boden ging. Haggy ballte seine rechte Hand zur Faust und schlug dem Räuber, so fest er konnte, von oben auf den Kopf. Jetzt verlor der Räuber endgültig das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Aus seiner Kniekehle strömte das Blut.
Haggy eilte zu seiner Büchse, die ein, zwei Schritte entfernt lag, nahm sie auf, legte an und schoss einem der beiden, die Zahrin wegschleppten, von hinten in den linken Oberschenkel. Auch dieser Räuber ging zu Boden. Wieder wurde Haggy vom Rückstoß der Waffe erfasst und selber rücklings zu Boden geschleudert. Im Fallen sah er, wie Tinchena wieder mit den Armen wedelte. Kurz darauf erklang ein greller Schmerzensschrei des anderen Räubers bei Zahrin. Dessen Bart stand in hellen, gelbgrünen Flammen! Panisch schlug er sich mit den Händen ins Gesicht und versuchte, den Brand zu löschen. Dabei kam er aus dem Gleichgewicht und fiel zu Boden. Er wälzte sein Kinn am Boden hin und her, um das Feuer zu ersticken. Auch seine Hände wurden nun leicht verkohlt. Zahrin, nun befreit, hatte sich wieder aufgerafft, stürmte auf den ersten der Räuber zu, den, den sie – zusammen mit sich selber – zu Boden geschlagen hatte, ergriff im Lauf ihren Streitkolben, sprang in die Luft, vollführte eine Drehung und schlug dabei den Kolben seitlich ins Gesicht des Räubers. Sein Kopf wurde zur Seite gerissen, ein Zahn flog durch die Luft, seine Lippen platzten auf und Blut tropfte auf die Straße.
Haggys Mund war vor Erstaunen weit aufgesperrt. Eine derartig artistische Einlage hatte er von Zahrin nicht erwartet. Jetzt stand sie neben dem niedergeschlagenen Räuber und sah sich die Bande an. „Euer Überfall ist vorbei, ihr habt versagt. Geht und lasst uns in Ruhe“, zischte sie.
„Komm, schnell“, rief Haggy ihr zu und winkte sie herüber zu Otto, der sich mit einer Hand die Wunde hielt und versuchte, das Blut zurückzuhalten. Zahrin lief zu ihm h inüber, legte den Streitkolben ab, nahm seine Hand von der Wunde und betrachtete diese. Die Einstichstelle blutete stark, aber nur das Gewebe war verletzt. Knochen und Organe schienen intakt. Sie legte ihre linke Hand auf die Wunde, ihre rechte hielt die Ottos. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich. Otto kam es so vor, als ob sie dabei summen würde. Zahrin fühlte sich tief in die Wunde ein und grub ganz weit in ihre Seele hinein, ganz tief nach unten, dorthin, wo ihre Seele ganz hell und rein war. Es war, als griffe sie mit ihrer Hand in die Helligkeit, trüge sie hinauf und schüttete sie in die Wunde Ottos. Sie vernahm sein erleichtertes Stöhnen, als seine Schmerzen weniger wurden. Mit ihrer Hand spürte sie, dass die Blutung nachließ und die Wunde sich schloss.
Der angeschossene Räuber war
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