Zwergensturm
Dunkelelfenkönigin, und ich befürchte, dass es für einigen Aufruhr sorgen könnte, wenn eine hier unbekannte Reisegruppe durch die Gegend zieht und jeden Zwerg fragt, ob er nicht der König der Zwerge ist. Vermutlich weiß derjenige ja nicht einmal, dass er ein König ist. Beziehungsweise einer wäre, wenn … ja, wenn die Dunkelelfen nicht dazwischengekommen wären.“ Tinchena war nicht wirklich überzeugt: „Und wie willst du ihn dann finden? Du kannst ja nicht jedem männlichen Zwerg das Gesicht inspizieren, ob er denn eine Narbe hat.“ Nun fühlte sich Otto leicht überrumpelt. Haggy grinste: „Nun, ich denke, wir müssen einen Weg einschlagen, der irgendwo zwischen euren beiden Ansichten liegt. Wir werden uns schon durchfragen müssen, aber eventuell gehen wir das etwas … vorsichtiger an.“ Er bat Tinchena, ihm das Bild zu geben, was diese auch mit leichtem Widerwillen tat. Haggy steckte das Bild ein und wollte gerade wieder zu Stier gehen, als er eine ältere Gnomenfrau wahrnahm, die sich ihnen näherte. Er wartete, bis sie nahe genug war, um angesprochen zu werden. Freundlich ging er auf sie zu: „Gnädige Frau, dürfte ich Euch kurz eine Frage stellen? Wir sind Fremde und …“ Weiter kam er nicht. Die Gnomin äußerte nur ein bestimmtes „Nein!“, untermauerte dies mit einer abfälligen Handbewegung und setzte ihren Weg fort.
„Siehst du“, frohlockte Tinchena. Haggy verdrehte die Augen, Zahrin kicherte im Hintergrund.
Sie stiegen wieder auf die Ponys und ritten weiter stadteinwärts. Einige Händlerkarren kamen ihnen entgegen. Zahrin stieß Haggy an und deutete auf ein Zwergenpärchen, das die Hauptstraße entlangschlenderte: „Frag die mal.“ Haggy nickte und stieg ab. Er räusperte sich und war um freundliches Auftreten bemüht, als er das Paar ansprach: „Entschuldigt, wir sind Fremde und …“ „Was gibt’s?“, unterbrach ihn die Zwergin. Wieder kicherte es hinter ihm. Haggy fuhr fort: „Kennt ihr den Zwerg hier auf dem Bild? Mittlerweile sollte er viel älter sein, in etwa so alt wie ich. Aber die Narbe hier hat er bestimmt noch.“ Der Zwergenmann nahm das Bild in die Hände und betrachtete es gemeinsam mit seiner Begleiterin intensiv, bevor er es Haggy zurückgab: „Nein, tut mir leid. Einen Zwerg, der so aussieht, kenne ich nicht.“ Haggy bedankte sich artig und sagte, als das Paar außer Hörweite war: „Na, das kann ja was werden. Wie viele Zwerge mag es hier in Grünleben geben?“ „Tausende“, antwortete Otto. Haggy nickte: „Immerhin sind wir in Grünleben angekommen. Lasst uns erst einmal eine Unterkunft finden und unser weiteres Vorgehen planen. Dann sind wir frisch und gestärkt und können …“ „Genau, ab in die Kneipe!“, rief Zahrin dazwischen. Das war eigentlich genau das, worauf Haggy hinauswollte, aber es wunderte ihn dann doch, dass es ihm heute wohl nicht vergönnt war, mal einen Gedanken zu Ende zu führen, bevor er unterbrochen wurde. Die Aussicht auf den baldigen Kneipenbesuch beruhigte ihn aber umgehend.
Sie ritten noch etwas weiter in Richtung des Zentrums. Der Palast der Dunkelelfen war bereits klar zu sehen und überstrahlte alles. Wieder kamen sie an eine Kreuzung. Es sah aus, als ob sie auf einen Ring aus Straßen getroffen waren, der vermutlich den Palast weiträumig umschloss. Ihrer Intuition und ihrem Willen, auch mal eine andere Straße zu sehen , folgend, bogen sie nach rechts ab. Die mehrstöckigen Häuser waren hier alle gepflegt und schlossen aneinander an. Nach wenigen Schritten erblickten sie rechterhand ein Schild, auf dem neben einem Bierkrug der Schriftzug „Zum lebendigen Sammelsurium“ zu lesen war, was Haggy als eine Anspielung auf die Charakteristika der Hauptstadt verstand. Das zum Schild gehörende alte Fachwerkhaus sah einladend und nett aus, also stellten sie die Ponys ab und wollten gerade hineingehen, als zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, ihren Weg kreuzten.
Freundlich grüßten sie einander und Haggy bat sie, ihnen eine Frage stellen zu dürfen. Die Frau nickte, und so zeigte er ihnen das Bild. Doch auch diese beiden kannten den abgebildeten Zwerg nicht. Haggy bemerkte, dass die Frau, obwohl sie fröhlich und gelöst wirkte, von recht frischen Narben übersät war. Und auch die Frau blickte die Gruppe fragend an. Schließlich fragte sie: „Was seid ihr denn für ein Haufen? Du sagtest, ihr kommt nicht von hier?“ „Das stimmt“, erwiderte Haggy. „Wir kommen aus Pruda. Ein alter Freund bat uns, dass
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