Zwergensturm
Prophet.
Außer ihm war noch eine gute Zahl an Gästen zugegen, auch wenn Olly den Eindruck hatte, dass die Nähe des Orkheeres schon dafür sorgte, dass immer weniger Stammkunden kamen, dafür aber immer mehr der verwegenen Gestalten. Waren gar schon einige der normalen Stadtbewohner geflohen?
Das Stimmengewirr in der Kneipe wurde augenblicklich deutlich leiser, als der Prophet sich erhob. Einige Leute quatschten jedoch einfach weiter, und der ein e oder andere erlaubte sich einen Spaß über die dunkle Gestalt, deren Gesicht noch nie jemand gesehen hatte.
Der Prophet räusperte sich und sprach:
„ Die Dunkelheit wird dunkler, kein Licht mehr zum Erlöschen.
Traumlos, lieblos, leblos, den Tod noch vor der Tür,
Angst ist da, doch für das Leben kein Gespür,
das genauso tot und dunkel ist und dazu noch ohne Liebe,
alles weg. Und erloschen, keine Lebenstriebe.
Doch aus der Ferne erklingt die Stille,
kein Wasser mehr im Bach.
Doch etwas rührt sich dort am Boden,
wo die Hirne liegen brach.
Sind wir gar nicht tot, gibt es gar noch Hoffnung?
Oder ist die Welt so dunkel, dass gar der Tod heller scheint?
Oder leben wir so dunkel, dass sich die Welt zu grunde weint?
Wir wissen nichts und es noch nicht,
ein toter Funke, der die Welt erhellt,
doch reicht dazu die Kraft,
wenn man es nicht mal mehr zu leben schafft?
Es geht voran , weil nicht zurück,
doch vorn ist wie hinten nichts.
Es gibt noch was, fernab vom belanglosen Grauen.
Freundschaft.
Und Vertrauen.“
Jetzt war Olly noch nachdenklicher. Sie alle waren ja diese düsteren „Prophezeiungen“ gewohnt, aber dieses Mal schwang etwas anderes mit. Allein die Erwähnung solcher Wörter wie Hoffnung , Freundschaft und Vertrauen war völlig neu in den Prophezeiungen. Und das gerade jetzt, wo die Orkhorde quasi vor der Tür stand.
„Na ja, bekloppt ist halt bekloppt “, dachte sich Olly, bemerkte aber auch, dass das übrige Publikum im Raum ebenfalls nachdenklicher wirkte als sonst. „Vielleicht liegt das aber auch am bevorstehenden Orkbesuch“, überlegte Olly und nahm sich einen weiteren Likör. Zum ersten Mal seit Langem machte er sich keine Sorgen mehr über seine Leber. „Mögen die Orks dran verrecken, wenn sie sie verdrücken“, dachte er.
Grünleben, Kneipe „Zum lebendigen Sammelsurium“
Nach geschätzten fünfundzwanzig Lokalrunden und einigen Krügen Schnaps mehr hatte der Wirt alle Fragen nach dem Grund für seine plötzlich aufgetretene Freigiebigkeit abgeschmettert, einen anderen Wirt mit der Versorgung der Gäste beauftragt und sich zu unseren Freunden gesellt. Piggy hatte die zwanzig ersten Runden Schnaps mit überstanden und schnarchte nun unter dem Tisch.
Duram war sehr nachdenklich, als er die Geschichten über seine vermeintliche Familie hörte.
Sie konnten sich nicht absolut sicher sein, doch offenbar waren der Mann und die Frau, die Duram in seinen abgerissenen Träumen als seine Eltern wahrgenommen hatte, tatsächlich der König und seine Frau gewesen, bis die Dunkelelfen das Land erobert hatten.
Der Wirt erinnerte sich noch sehr deutlich an das Königspaar und wusste auch von einem Kind zu erzählen, das kurz vor der Besatzung das Licht der Welt erblickt hatte. Er erzählte, wie unglaublich stolz sein Vater gewesen war. Er erzählte auch davon, was für ein guter, freundlicher und humorvoller König Durams Vater gewesen sei, und davon, dass er es über alles geliebt habe, einfach in eine Kneipe zu gehen und sich mit seinen Untertanen gemeinsam zu besaufen. Dann war auch oft die Bürde der Krone für einen Abend von seinen Schultern abgefallen.
Doch der Wirt unterrichtete Duram auch über die Pflichten eines Königs und über die Alten Gesetze. Duram war sehr interessiert.
Sie diskutierten darüber, ob die Dunkelelfen in der Lage sein würden, das Land im bevorstehenden Krieg zu verteidigen. Nach allem, was zu hören war – und der Alte hörte anscheinend sehr viel in der Kneipe –, konnte man davon nicht ausgehen. „Mehrere Hundert Orks“, sprach er nachdenklich, „noch dazu ein paar dieser riesigen, fetten Oger … Sagt, habt ihr viele Dunkelelfenwachen oder gar Soldaten gesehen auf eurem Weg durch das Land, von Pruda bis nach Grünleben?“ „Nein“, antwortete Haggy. „Das hat uns auch gewundert. Man sieht kaum welche. Am Stadttor Prudas waren ein paar, und eine Streife hat uns von einem Platz nah am Palast vertrieben, aber sonst …“ Otto sah den Wirt fragend an: „Habt Ihr eine Ahnung, wie
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