Zwergensturm
Brecher vernahm, wie einer der zurückgebliebenen Oger einen vorbeifliegenden Vogel mit bloßer Hand fing und mit einem Bissen vernaschte.
Im Dorf brach Aufregung aus. Brecher sah, wie Mütter ihre Kinder auf die Arme nahmen. Einige diskutierten wild. „Doch jetzt ist es zu spät, um zu fliehen, ihr Narren“, dachte Brecher zufrieden. Selbst wenn es einer versuchen würde, die Orkkrieger würden ihn einholen oder er würde einer Patrouille in die Arme laufen. Als sie auf 300 Schritte heran waren, konnte Brecher die Angst riechen. Er hörte auch das helle Weinen eines Gnomenbabys. „Nicht mehr als ein Imbiss“, dachte er. Es erfreute ihn, dass wenigstens am heutigen Tag Blut fließen würde.
Auch in Dunkeltods Miene war die Vorfreude zu sehen. Bald schon würde man Menschen zerreißen, Zwerge zerfleischen und Gnome zerschneiden. Dies würde ein Exempel werden, von dem im ganzen Besetzten Land berichtet werden würde und das jeden Gedanken an Widerstand gegen das Heer des Gefallenen Gebietes im Keim ersticken würde.
Eine Mutter sank auf die Knie, ihr Kind auf dem Schoß. Sie schien zu flehen, an die Orks gewandt. Brecher lachte. „Ich die Mutter, du das Gör.“ Dunkeltod nickte freudig.
150 Schritt noch, und sie gingen in einen leichten Trab über. Viele der Orks zogen ihre Wurfschwerter, mit denen sie auf 80 bis 100 Schritt zielgerichtet töten konnten, aus den Gürtelscheiden. Sie würden sich einen Spaß daraus machen, wer die meisten Ziele traf, bevor man das Dorf endgültig erreichte.
Brecher begann zu sabbern. Er ging in dem aufkommenden Blutrausch vollständig auf. Blut unterlief seine Augen, seine Muskeln spannten sich. Auch er hielt sein Wurfschwert bereit, und die Mutter, die immer noch niederkniete, im Auge. Er wollte sie treffen, bevor Dunkeltod ihr Kind traf – eine Frage der Ehre. Er stimmte in das entstehende Kriegsgeschrei ein, holte weit aus, zielte ein letztes Mal und sah in Gedanken schon, wie die Mutter blutüberströmt über ihrem Kind zusammenbrach. Da hörte er ein Kriegshorn. Ein dunkles, böses, unstimmiges, schlecht geschnitztes Horn. Das Orkheer stoppte verwirrt den Kriegslauf, kam zum Stehen und sah sich um. Das war doch kein Horn der Orks?
Brecher schwenkte den Kopf nach rechts und suchte den Horizont neben dem Dorf ab. Nichts. Er schwenkte den Kopf zurück, doch auch in dem Dorf sah er nichts. Schließlich untersuchte er das Land links vom Dorf. Dort war auch nichts, nur eine Hügelkette, die bis zum Dorf verlief und danach das Dorf von hinten umfasste.
Da! Brecher kniff die Augen zusammen. Dort, mitten auf der Hügelkette, trat ein einzelner Zwerg vom Hinterhang hervor. Er hielt das Horn! Brecher sah Dunkeltod fragend an, doch auch der wirkte überrumpelt. Was wollte dieser einzelne Zwerg? Er trug eine, wie es aussah, eilig zusammengeschusterte Uniform. Die Teile passten überhaupt nicht zusammen. Brecher erkannte auch ein Schwert, das viel zu schmal für den Zwerg war. Ein Schwert der Dunkelelfen? Was zum …
Einsam stand der Zwerg mitten auf der Hügelkette und besah sich in aller Ruhe die Schlachtreihen der Orks. Jetzt hob er sein Schwert und wedelte dann mit den Armen. Andere Zwerge kamen hervor, erst einer, dann zwei, dann Dutzende. Schließlich mehrere Hundert. Brecher erkannte auch zwei Menschen und eine Gnomin.
Brecher bemerkte die allgemeine Unruhe, die im Orkheer aufkam. Er wies die Kämpfer zur Ruhe an, dann beriet er sich mit Dunkeltod: „Was ist denn das für ein Haufen?“ „Keine Ahnung“, erwiderte der. „Schlechte Ausrüstung, schlechte Waffen, schlechte Haltung. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was das soll.“ Brecher überlegte kurz, wie viel Beachtung man den Zwergen schenken sollte. Man könnte sie natürlich einfach ignorieren und sie mit den Dorfbewohnern zusammen ausschalten. Oder, falls das so etwas wie Widerstand darstellen sollte, könnte man sie auch zuerst vernichten und dann das Dorf. Um gleich zwei Zeichen zu setzen. Es ärgerte ihn maßlos, sich mit solchen Nichtigkeiten beschäftigen zu müssen. Das erste Mal am heutigen Tag wünschte er sich, der Heermeister wäre zugegen.
„Was haben die vor?“, unterbrach Dunkeltod seine Gedanken. „Ich weiß es doch auch nicht“, antwortete Brecher genervt und ergänzte: „Vielleicht wollen die uns vom Dorf weglenken. Oder sich opfern, um den Dorfbewohnern Zeit zur Flucht zu geben. Nur eins ist wohl klar, uns angreifen werden die nicht.“ Er lachte spöttisch.
Der Zwerg, der als Erster zu
Weitere Kostenlose Bücher