Zweyer, Jan - Rainer
sagen? Wollen Sie damit andeuten, dass mein Mandant…«
»Andeuten will ich überhaupt nichts. Frau Schlüter, Herr Schlüter, ich teile Ihnen hiermit offiziell mit, dass wir ab sofort gegen Ihren Mandanten ermitteln. Wegen eines Tötungsdeliktes zu Lasten von Georg Pawlitsch. Sagen Sie, Herr Doktor Lorsow, wo waren Sie eigentlich am Dienstag, dem 24. November, abends?«, fragte Brischinsky mit schneidender Stimme.
»Das ist doch unerhört. Also, ich weiß nicht, was ich sagen soll… Friedhelm, du musst darauf nicht antworten. Ich werde…« Schlüter fehlten die Worte.
»Lass mal.« Lorsow hob beschwichtigend die Hände. Sein Augenlid zuckte. »Ich werde antworten. Ich war in meiner Wohnung. Ab etwa fünf Uhr nachmittags. Später habe ich mit meiner Frau ferngesehen.«
»Ihre Frau kann das bezeugen?«
»Selbstverständlich.«
»Wissen Sie noch, was Sie gesehen haben?«
»Nicht genau. Irgendeinen Film aus den 70er-Jahren. Mit Roy Black und Uschi Glas. So eine alte Klamotte.«
Baumann schüttelte sich innerlich. Was sich Menschen so alles antaten.
Brischinsky sah kurz zu seinem Assistenten hinüber. Der hatte verstanden und nickte. Er würde sich später der Lektüre der Fernsehzeitung der letzten Woche widmen.
»Wann hat der Film begonnen?«
»Ich glaube, um Viertel nach acht.«
»Ihre Frau war die ganze Zeit bei Ihnen?«
»Ja, nein, eigentlich nein.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Sie war einkaufen. Sie ist erst gegen halb acht gekommen.«
»Das heißt, Herr Doktor Lorsow, Sie haben keine Zeugen dafür, dass Sie gegen fünf nach Hause gekommen sind?«
»Doch, doch. Natürlich. Meinen Prokuristen, Herrn Derwill.
Er hat mich in seinem Wagen nach Hause gefahren. Mein Fahrzeug war mir ja gestohlen worden.«
»Wann war das?«
»Ich sagte doch, gegen fünf.«
»Und Sie haben das Haus nicht mehr verlassen?«
»Nein. Das heißt: doch.«
»Was denn nun?«
»Ich bin später noch mit unserem Hund an der Weide neben dem Nordfriedhof spazieren gegangen.«
»Um wie viel Uhr?«
»Das war so um neun.«
»Hat Sie jemand gesehen?«
»Ich glaube nicht.«
»Bedauerlich. Ihre Anschrift bitte.«
»Johann-Sebastian-Bach-Straße 19.«
Baumann stutzte. »Das ist doch ganz in der Nähe von der Straße Am Romberg, oder?«
»Ja. Warum?«, fragte Lorsow zurück.
»Weil«, sagte Brischinsky langsam und beobachtete den Verdächtigen genau, »Georg Pawlitsch am fraglichen Abend in dem Altersheim dort einen Freund besucht hat. Und nur Minuten, nachdem er diesen Freund verlassen hat, wird er auf dem Börster Weg überfahren. Ein seltsamer Zufall, finden Sie nicht?«
Lorsow lächelte gequält. »Da haben Sie Recht. Aber ich habe damit nichts zu tun.«
Brischinsky erhob sich. »Wir werden Ihre Aussage überprüfen. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Tun Sie das«, sagte Lorsow. Äußerlich wirkte er vollkommen ruhig. Nur sein rechtes Augenlid verriet das Maß seiner Nervosität.
»Danke, dass Sie gekommen sind. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe zu tun. Heiner…«
Baumann stand auf und öffnete die Bürotür.
»Also, das ist wirklich…«, empörte sich Schlüter. »Das wird ein Nachspiel haben, Herr Hauptkommissar, darauf können Sie sich verlassen.« Wutschnaubend griff der Anwalt zu seiner Aktentasche. »So können Sie mit uns nicht umspringen. Ich werde mich an geeigneter Stelle über Sie beschweren. Komm, Friedhelm, wir gehen. Elke.«
Lorsow schlich wie ein begossener Pudel hinter Schlüter aus dem Raum. Baumann hatte den Eindruck, als ob die junge Anwältin noch etwas sagen wollte, doch dann folgte auch sie grußlos ihrem Vater und ihrem Mandanten.
Baumann schloss die Bürotür. »Hoffentlich bist du da nicht zu weit gegangen, Chef. Ermittlungen wegen Mordes! Was haben wir denn in der Hand? Nichts!«
»Weiß ich doch selbst. Aber ich konnte diesen blasierten Lackaffen Lorsow und seinen Winkeladvokaten im italienischen Zweireiher einfach nicht länger ertragen.«
»Winkeladvokat? Schlüter und Partner ist eine der renommiertesten Anwaltskanzleien in der Stadt.«
»Na und? Es hat Anwälte gegeben, die haben erst Mitglieder der RAF verteidigt, dann selbst zur Knarre gegriffen und sind später bei der maoistischen KPD gelandet. Vor einigen Tage habe ich gelesen, dass so ein Kämpfer gegen das Unrecht heute mit dem Rechtsradikalismus sympathisiert und auf NPD-Parteitagen Reden hält. Andere sitzen im Knast wegen Betruges oder was weiß ich. Also komm mir nicht mit
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