Zweyer, Jan - Rainer
drei Toten von damals aufzuklären. Und genau das, Herr Doktor Lorsow, wollten Sie verhindern.«
»Dummes Zeug. Aber wir sollten das nicht weiter am Telefon, sondern unter vier Augen besprechen.«
»Einverstanden. Aber machen Sie sich keine Illusionen. Ich habe mich abgesichert. Sollte auch mir ein Unfall passieren…«
»Reden Sie keinen Quatsch. Wäre Ihnen Freitag recht?«
»Klar. Aber den Ort bestimme ich. Sie hören von mir.«
»Wo immer Sie wollen.« Grußlos unterbrach Lorsow ihr Gespräch.
Völlig nass geschwitzt legte Rainer Esch sein Handy auf den Schreibtisch. Sein Herz raste und schlug ihm bis zum Hals. Er zündete sich eine Zigarette an, sog den Rauch tief ein und dachte nach. Irgendwie wurde er das dumme Gefühl nicht los, dass er gerade einen Fehler begangen hatte. Einen großen Fehler.
Er schnappte sich wieder sein Telefon.
»Cengiz«, sagte er schwer atmend, als sich sein Freund meldete. »Ich brauche deine Hilfe.«
38
Friedhelm Lorsow stand mit weichen Knien auf und bediente sich am Barfach. Nach dem zweiten Remy Martin hatte das Zittern seiner Hände etwas nachgelassen und er konnte wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen. Er drückte die Taste seiner Gegensprechanlage. »Frau Müller, bitten Sie doch Herrn Derwill in mein Büro.«
»Sofort.«
Lorsow ging erneut zur Schrankwand und goss sich einen weiteren Cognac ein. Dann wartete er ungeduldig auf das Erscheinen seines Prokuristen.
Als Derwill das Büro betreten hatte, deutete Lorsow stumm auf einen der schwarzen Besuchersessel vor seinem Schreibtisch. Derwill setzte sich und sah seinen Vorgesetzten gespannt hat.
Der Geschäftsführer nahm einen tiefen Schluck und fragte:
»Auch einen?«
Derwill schüttelte den Kopf. Lorsow versetzte den Inhalt des Schwenkers ins Rotieren und sah gedankenverloren zu, wie der Cognac an der Glaswand hochschwappte und beim Herunterlaufen feine Schlieren zurückließ. »Herr Derwill, wir haben ein Problem.«
Der Prokurist machte ein verblüfftes Gesicht. »Was für ein Problem?«
»Ein Anwalt. Esch ist sein Name.«
»Aus Recklinghausen?«
Lorsow sah durch sein Gegenüber hindurch.
»Wie?« Er schreckte hoch. »Entschuldigung, Herr Derwill.
Was sagten Sie…?«
»Kommt der Anwalt aus Recklinghausen?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht danach gefragt. Aber Sie haben natürlich Recht. Wir sollten das feststellen.«
Der Firmenchef drückte erneut auf die Gegensprechanlage.
»Frau Müller, bitte stellen Sie fest, ob in Recklinghausen oder den umliegenden Städten ein Anwalt namens Esch tätig ist.«
»Und welches Problem haben wir mit diesem Anwalt?«
»Er droht, mich in der Öffentlichkeit mit dem Mord an diesem Pawlitsch in Verbindung zu bringen.«
»Pawlitsch?«
»Sie wissen schon, der mit meinem Mercedes überfahren wurde. Er fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld für die Hinterbliebenen.«
»Aha.« Derwill schwieg.
»Außerdem hat er eine Bemerkung über meinen Vater gemacht.«
»Über Ihren Vater?«
»Ja. Ich bin nicht so recht schlau geworden aus dem, was er gesagt hat. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, behauptet er, dass mein Vater während des Krieges drei Menschen umgebracht hat.«
»Na und? Bedauerlicherweise kommt so etwas in Kriegen vor.«
»Nein, nein. Das hat er nicht gemeint. Er hat unterstellt, mein Vater hätte die drei Menschen ermordet.«
»Ich kannte Ihren Vater jahrzehntelang. Das ist Unsinn! Was wollen Sie unternehmen? Ihn verklagen?«
»Ich weiß nicht. Irgendwie schien er mir sehr überzeugt von dem, was er sagte. Er behauptet außerdem, einer der Toten, ein gewisser Löw, sei von meinem Vater betrogen worden.
Abraham Löw. Sicher ein Jude. Hatte mein Vater etwas mit diesem Löw zu tun? Sie waren seine rechte Hand. Wissen Sie etwas?«
Es klopfte. Roswitha Müller betrat das Büro. »Die Anschrift des Anwalts, Herr Doktor Lorsow.«
»Geben Sie her.«
Die Chefsekretärin reichte ihm einen Zettel und verschwand.
»Rainer Esch«, las Lorsow laut vor. »Er hat eine Praxis in Herne. Kam nicht der Pawlitsch auch aus Herne?«
Derwill nickte. »Ich glaube.«
Lorsow kippte den Rest Cognac hinunter. »Also?«
»Abraham Löw war der frühere Besitzer des Geschäftes in Castrop. Ihr Vater hat das Haus und den Laden von ihm erworben. Ich weiß nur, dass Löw auswandern musste. So hat das Ihr Vater dargestellt.«
»Er hat den Laden von einem Juden gekauft? Wann war das?«
»1938, glaube ich.«
»Haben wir die Kaufverträge
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