Zweyer, Jan - Rainer
gesagt?«
Sein Gegenüber schüttelte stumm den Kopf.
»Das sieht ihr ähnlich.«
»Ich verstehe das nicht. Sie wollte noch kein Kind, hat sie mir immer vorgehalten. Dafür fühle sie sich zu jung. Später vielleicht. Aber noch nicht jetzt. Sind Sie sicher? Ich meine, woher…?«
»Die Kripo.«
»Ach so.«
Beide fixierten für einige Momente ihre Whiskeygläser.
Dann brach der jüngere Mann das Schweigen: »Unsere Heirat war für das Frühjahr geplant.«
Wübber verzog schmerzlich das Gesicht.
»Sie wollte unbedingt auf Juist getraut werden. Sie hat die Insel so geliebt. Und jetzt…« Der Schweizer sprach nicht weiter.
»Marlies hat mir nie von Ihnen erzählt.«
Favre hob die Augenbrauen. »Nein?«
»Nein.«
Er zuckte mit der Schulter. »Sie wissen ja, wie sie war.«
Der Teehändler schwieg.
»Hat die Kripo schon eine Spur?«
»Marlies hat sich zwei-, dreimal in einer Kneipe mit einem Mann getroffen. Als die Polizei ihn befragen wollte, ist er geflüchtet. Er könnte der Täter sein. Aber er ist tot.«
»Tot?«
»Ja. Erschossen. Stand heute in der Zeitung.«
»Selbstmord?«
»Die Polizei scheint von Mord auszugehen.«
»Mord?« Favre hielt Wübber das leere Glas hin. »Könnte ich noch einen…«
Wübber goss nach.
»Besteht ein Zusammenhang mit Marlies’ Ermordung?«
»Was weiß ich.«
»Haben Sie schon Pläne für die Beerdigung? Ich meine…«
Der Ältere unterbrach ihn barsch. »Ihre Leiche wurde noch nicht freigegeben. Sie wird in Bremen beigesetzt. Im Familiengrab meiner Frau. In aller Stille im engsten Familienkreis.«
»Und wann?«
»Ich sagte: Im engsten Familienkreis!«
Favre schluckte diese Brüskierung. »Hat die Polizei etwas gefunden?«
»Das müssen Sie sie schon selbst fragen.«
»Einen Brief vielleicht?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Oder ein Testament?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich habe mich bei dem einzigen Notar auf der Insel erkundigt. Dort wurde kein Testament hinterlegt. Marlies wollte testieren. Das hatte sie mir versprochen.«
Wübber hatte sein Glas abgestellt und war aufgestanden.
Langsam näherte er sich dem Schweizer. »Daher weht der Wind. Sie sind gekommen, um abzukassieren!«
Favre wehrte ab. »Nein, nein! Das haben Sie falsch verstanden. Ich…«
Wübber baute sich vor ihm auf. Seine Stimme war leise und eiskalt. »Sie werden von dem Geld keinen einzigen Fränkli erhalten, das verspreche ich Ihnen. Nicht einen! Und jetzt verschwinden Sie, aber schnell! Wenn Sie sich noch einmal erdreisten sollten, in meine Nähe zu kommen, werde ich ungemütlich.«
Favre stand auf. »Sie drohen mir? Ausgerechnet Sie? Ich wäre an Ihrer Stelle etwas vorsichtiger. Marlies hat mir erzählt, wie Sie früher…«
»Was?«, brauste Wübber noch mehr auf.
»Das wissen Sie doch selbst. Ich habe ihr geraten, zur Polizei zu gehen, aber sie wollte nicht. Jetzt kann sie es ja nun leider nicht mehr tun. Aber ich könnte. Es sei denn…«
»Es sei denn, was?«
»Es sei denn, es findet sich doch noch ein Testament. Oder eine von Ihnen unterschriebene Schenkungsurkunde.«
»Sie Schwein! Verschwinden Sie, sofort!«, krächzte Wübber mit belegter Stimme.
Favre trank sein Glas leer. »Bemühen Sie sich nicht. Ich finde alleine hinaus. Denken Sie über meinen Vorschlag nach.«
»Raus!« Wübber bebte vor Zorn.
Favre hatte die Zimmertür bereits geöffnet. »Ich setze mich mit Ihnen in Verbindung«, sagte er und verschwand auf dem Hotelflur.
26
»Kommen Sie, schnell. Bitte!«
»Was ist passiert?«, fragte Müller.
Es sprudelte nur so aus Elke heraus: »Wir waren auf dem Weg ins Hotel und gingen über die Strandpromenade. Der Wind hatte meine Mütze vom Kopf gepustet und ich lief hinter ihr her. Deshalb war ich etwa zwanzig Meter von Rainer entfernt, als plötzlich aus den Dünen vier vermummte Männer hervorsprangen und sich drei von ihnen auf Rainer stürzten.
Der vierte kam auf mich zu und Rainer rief mir zu, ich solle weglaufen und Hilfe holen.« Schwer atmend stützte sie sich am Türrahmen ab. Dann griff sie Müllers Hand. »Nun kommen Sie. Schnell!«
Der Kommissar wollte seinen Mantel holen und drehte sich um. Dabei stieß er fast mit der massigen Gestalt Altehuus’
zusammen, der schon zur Tür gekommen war und fragte: »Wo auf der Strandpromenade?«
»In der Nähe des Spielplatzes, bei den Toiletten.«
Altehuus stürmte aus der Wache. Müller hielt Elke fest, die dem Oberwachtmeister folgen wollte.
»Sie bleiben hier. Pass auf sie
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