Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
ohne Akzent. Ja, Herr Kaya, die Wohnung ist noch nicht vermietet.«
Jetzt galt es. »Könnte ich mir die mal ansehen?« Für einen Moment hatte er den Eindruck, die Vermieterin würde zögern.
»Selbstverständlich. Wann würde es Ihnen denn passen?«
»Wie wäre es mit heute?«
»Heute? Hmm, ich wollte eigentlich… aber gut, sagen wir um zwölf?«
»Zwölf ist gut. Danke sehr, bis dann.« Er wollte auflegen.
»Halt, halt, Sie haben doch die Adresse noch gar nicht.«
»Stimmt ja. Entschuldigung.«
»Keine Ursache. Mont-Cenis-Straße 69. Wissen Sie, wo das ist?«
»Nein, aber ich werd’s schon finden.«
»Dann bis gleich.«
»Wiedersehen.«
Cengiz legte die gut drei Kilometer bis zum Wohnheim im Rekordtempo zurück, startete seinen Wagen und machte sich auf den Weg in die Nachbarstadt. Seinem Ruhrgebietsplan entnahm er, daß die Mont-Cenis-Straße in Herne-Mitte begann und sich bis Castrop-Rauxel hinzog.
Er wandte sich am Vorplatz des Herner Hauptbahnhofes nach links, nahm dann die erste Straße rechts und folgte der Hermann-Löns-Straße Richtung Süden. Die Mont-Cenis-Straße kreuzte die Hermann-Löns-Straße nach einigen Ampeln. Er bog ab und suchte das Haus mit der Nummer 69.
Direkt vor dem Haus war eine freie Parklücke. Er hielt an und sah auf die Uhr. Kurz nach elf.
Um fünf Minuten vor zwölf verließ er seinen Wagen und ging zum Haus. An der Tür waren vier Klingelknöpfe, von denen drei beschriftet waren. Der Name Köster fand sich nicht darunter. Kurz entschlossen drückte er den Knopf, der namenlos war.
Nach kurzer Zeit hörte er ein »Moment, bitte« von oben.
Cegiz trat einen Schritt zurück, um an der Hauswand hochzublicken, konnte aber niemanden sehen. Die Haustür öffnete sich.
»Herr Kaya? Mein Name ist Köster.« Eine ältere Dame reichte ihm ihre Hand zum Gruß. »Der Türöffner«, sie zeigte auf ein imaginäres Etwas in ihrem Rücken, »ist defekt.«
»Guten Tag. Kaya.«
»Bitte kommen Sie.«
Sie ging vor ihm in den ersten Stock und öffnete eine Wohnungstür.
»Es ist nicht sehr groß«, sagte sie, fast entschuldigend, »aber für einen alleine. Sie würden doch hier alleine…?«
Kaya beeilte sich, zustimmend zu nicken. »Ja, sicher.«
»Wissen Sie, die Wohnung ist für mehrere nicht groß genug.
Und dann noch die festen Nebenkosten. Also, ich meine…«
»Nein, nein.« Er hob abwehrend beide Hände. »Ich bin wirklich alleine. Bestimmt.«
»Gut. Bitte, sehen Sie sich ruhig in aller Ruhe um.«
Er brauchte nur Minuten, um sich die beiden Räume anzusehen. Die Küche war klein und mit einer modernen Küchenzeile ausgestattet. Der Wohn-und Schlafraum war einfach, aber geschmackvoll mit Möbeln aus dem, wie ihm schien, IKEA-Sortiment eingerichtet. Sein Entschluß stand fest. »Also, ich würde die Wohnung wohl nehmen.«
»Ja, Herr Kaya, gut, aber, verstehen Sie mich richtig…«
»Sie wollen nicht an einen Türken…«
»Um Gottes willen, nein, das ist es nicht. Ich meine, haben Sie eine feste Arbeitsstelle?«
Kaya lachte erleichtert. »Natürlich. Ich bin unter Tage auf Eiserner Kanzler. «
»Ein Bergmann? Mein Mann war Steiger auf Friedrich der Große.«
»Den Pütt kenn ich nicht.«
»Der ist schon vor einigen Jahren stillgelegt worden. Gut, Herr Kaya, die Konditionen kennen Sie ja. Wann wollen Sie einziehen?«
»Wenn’s geht, so schnell wie möglich.« Ihm schlug das Herz bis zum Hals.
»Setzen wir uns. Hier ist der Mietvertrag.«
Auf dem Rückweg zum Wohnheim fragte er sich, wie er dem Heimleiter beibringen sollte, daß er nach nur einer Nacht im Heim schon wieder ausziehen wollte.
Der aber zuckte nur mit den Schultern und wies lediglich daraufhin, daß Cengiz aber für den restlichen Monat die Unterkunftssätze zu zahlen habe.
Der Türke schnappte sich nach Erledigung der Formalitäten sein Hab und Gut, verstaute es erneut in seinem Wagen und fuhr nach Herne, seine zweite neue Heimat innerhalb von zwei Tagen.
15
Am Montag morgen gegen fünf betrat Cengiz Kaya die Lohnhalle des Bergwerkes Eiserner Kanzler. Er war etwas enttäuscht. Auf vielen Bergwerken sind Lohnhallen architektonisch beeindruckend gestaltete Räume, teilweise Hunderte von Quadratmetern groß und manchmal zehn, fünfzehn Meter hoch, in einigen Fällen mit lichtdurchfluteten Fenstern oder Kuppeln, manchmal auch Lichthalle genannt.
Diese Räume haben an ihren Seitenwänden zahlreiche Büros, die mit Glasfenstern, die teilweise wie Schalter geöffnet werden können, von der
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