Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
hier eigentlich, mußt du so viel saufen? Wer wollte denn gestern abend keinen Streit. Wer hat mich denn genötigt, mit dem Kerl ein Bier zu trinken?«
»Ein Bier?« Stefanie lachte auf. »Wenn du nicht vom Stuhl gefallen wärst, hätte der Wirt uns rausgeschmissen.«
»Warum? Was haben wir gemacht?«
»Nichts. Aber Bier und Ouzo waren alle.«
Esch bekam einen Lachanfall. Auch seine Freundin prustete erneut los.
»Und stell dir vor, Adi wollte uns Anteile von Take off verkaufen.«
»Was, hier?«
»Ja. Du brauchst dir aber keine Sorgen zu machen. Er ist heute abgereist.«
»Gott sei Dank. So ein Besäufnis überstehe ich nur einmal im Monat.«
»Hoffentlich. Und jetzt steh auf und geh unter die Dusche.
Du stinkst wie ein Schnapsfaß. Laß uns zum Strand gehen. In drei Tagen geht unser Flieger. Und heute nacht gehen wir früher ins Bett. Nüchtern. Besoffen kann ich dich dann nicht gebrauchen.«
Schlagartig waren Rainers Kopfschmerzen davongeflogen.
Es ging doch nichts über die richtige Medizin.
26
Cengiz Kaya war zwar in Deutschland geboren worden, vergaß seine türkische Herkunft jedoch nie. Besonders die Speisen der Heimat seiner Eltern hatten es ihm angetan. Er verschmähte allerdings auch nicht die kulinarischen Highlights der Region: den Bottroper Feinschmeckerteller, Currywurst mit Pommes rot-weiß, in eingeweihten Kreisen auch Pommes Schranke genannt, oder die amerikanisierte Version, Hackfleisch zu verarbeiten.
Heute jedoch mußte es türkisch sein. Cengiz hatte Stefanie und Rainer nach ihrer Rückkehr aus Griechenland zum ersten Mal in seine neue Wohnung eingeladen und wollte sie mit türkischen Spezialitäten überraschen. Besonders Stefanie wollte er zeigen, daß ein türkischer Mann auch im Haushalt zu gebrauchen ist. Deshalb hatte er seine Wohnung drei Tage lang von oben bis unten geputzt.
Ein gewisses Problem bei der Planung des Abends entstand, als Cengiz das verfügbare Geschirr einer Inspektion unterzog.
Die Wohnung war zwar möbliert vermietet worden, Frau Köster hatte jedoch die Küche mehr als spartanisch ausgestattet, wohl in der nicht ganz unberechtigten Annahme, daß ein alleinstehender Mann eher selten auf solche Utensilien zurückgreifen würde.
Seine Nachbarin von gegenüber hatte ihm aber netterweise die notwendigen Gerätschaften, die sie erübrigen konnte, zur Verfügung gestellt; allerdings waren diese untereinander und auch zu seinen vorhandenen Beständen nicht ganz kompatibel, so daß sich nun auf dem gedeckten Tisch mit weißer Tischdecke zwei Teller mit blauem Rand und einer mit grünen Hähnen befanden. Beim Besteck fielen die Unterschiede nicht ganz so gravierend aus, wenn man davon absah, daß auf einem Messer, einer Gabel und einem Löffel das Wort Karstadt eingraviert war.
Sein Gläsersortiment ließ auch etwas zu wünschen übrig: die ursprünglich als Wassergläser vorgesehenen Zahnputzbecher hatte Cengiz schließlich durch sechs neue, bei Woolworth erworbene Weingläser mit Kristallschliff und weitere sechs Multifunktionsgläser ersetzt.
Bei den Getränken hatte er sich auf Mineralwasser und Pfälzer Weißwein beschränkt, was zwar für einen türkischen Abend nicht ganz stilecht war, aber der Geschmacksrichtung seiner Gäste wohl eher entsprach. Auf Raki, Ouzo oder Veterano hatte er mit Rücksicht auf Stefanie völlig verzichtet, dafür aber für Rainer extra eine CD von den Rolling Stones erworben, mit der Cengiz seine neue Stereoanlage vorführen wollte.
Das Abendessen war wie geplant um kurz vor acht fertig.
Cengiz zündete die Kerzen auf dem Tisch an und schaltete das Radio für etwas Hintergrundmusik ein. Seine neuen Freunde erschienen pünktlich zur verabredeten Zeit. Stefanie nahm ihn zur Begrüßung in den Arm, Rainer schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Na, alles klar?«
Stefanie war schon in die Küche gegangen. »Hmm, was riecht das hier gut. Ist das für uns?« fragte sie.
»Ich habe mir gedacht, daß ihr nach den ganzen griechischen Grilltellern und Mousakas auch mal Spaß an der Küche des Landes haben könntet, dessen Küste ihr auf Samos quasi vor der Haustür hattet. Aber bitte, setzt euch doch.«
»Hier, auch von uns ein Mitbringsel.« Rainer stellte eine Flasche Metaxa auf den Tisch. »Ich hoffe, du trinkst Metaxa, auch wenn’s der Schnaps eures Erbfeindes ist.«
»Wenn’s denn sein muß.«
»Muß nicht«, warf Stefanie ein. »Was gibt’s denn Gutes?«
»Abwarten.« Cengiz schenkte Wein ein. »Auf
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