Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
müssen.«
»Daran habe ich auch gerade gedacht.« Rainer zündete sich ein Zigarette an. »Eigentlich gibt das keinen Sinn. Es sei denn, wir unterstellen, daß Klaus da irgendwie…«
»Spinnst du jetzt total?« Stefanie unterbrach Rainer aufgebracht. »Willst du damit sagen, daß Klaus mit solchen Kerlen unter einer Decke gesteckt hat? Ich faß es nicht! Du kanntest doch Klaus. Du willst, du willst…« Sie fing an zu schluchzen. »Und du sagst, daß du mich liebst. Und dann so was. Beschuldigst meinen Bruder des Betruges.«
Rainer beschwichtigte: »Stefanie, jetzt hör mal zu. Keiner beschuldigt Klaus hier wegen irgend etwas. Ich wollte doch nur sagen, daß dein Bruder einen Grund gehabt haben muß, keine Anzeige zu erstatten. Einen Grund, den wir nicht kennen.
Noch nicht.«
Cengiz schaltete sich ein. »Vielleicht wollte er auch nur noch mehr Informationen sammeln. Ein Beweis sind das Angebot und die Berechnungen ja nicht gerade. Es ist immerhin möglich, daß Dekontent
noch andere legale
Entsorgungsmöglichkeiten in petto hatte, von denen durchaus die Bergwerks AG wissen kann. Klaus hat vielleicht nur einfach keine Unterlagen darüber gehabt. Wir zerbrechen uns hier den Kopf, und zumindest auf dem Gebiet der Entsorgung ist mit Dekontent alles in Ordnung.«
»Meinst du?« Stefanie war noch nicht versöhnt.
»Ist möglich.«
Esch, der das Gefühl hatte, in letzter Zeit nicht nur von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten, sondern sich die Dinger auch noch genau vor die Füße zu plazieren, trat die Flucht nach vorne an. »Ich denke, wir sollten der Sache auf den Grund gehen. Heute war der Tankwagen bei euch aufm Pütt. Wenn ich mich recht erinnere, hast du gesagt, daß der Wagen einmal in der Woche kommt. Also unterstellen wir, daß er nächsten Dienstag wieder da ist. Wir beide«, er sah Kaya an, »fahren nach Herne, warten an dem Firmengelände und sehen, was passiert. Dann schaun wir mal. Einverstanden?«
»Ja, gut. Aber du kannst dich da nicht verstecken. Wenn du vorm Eingang stehst, sieht dich jeder, der im Bürocontainer sitzt. Da kannste gleich zur Tür reinspazieren und sagen:
›Hallo, hier bin ich. Ich wollt mal fragen, bescheißen Sie bei der Entsorgung? ‹«
»Du hast doch gesagt, das Gelände liegt hinter dem UPS-Grundstück?«
»Ja, stimmt.«
»Gut. Ich kenne mich da etwas aus. Mein Opa war früher auf Teutoburgia.« Rainer grinste breit. »Kennze nich wa? Bis ja auch nich von hier. Teutoburgia ist ein Pütt ganz in der Nähe.
Meine Großeltern haben in der Teutoburgia-Siedlung gewohnt, in der Schreberstraße. Ich hab als Kind öfters am Kanal gespielt. Da ist ein Waldstück, das direkt an das Gelände anschließt. Wenn du dich nicht geirrt hast. Von da müßten wir eigentlich das Grundstück einsehen können. Wir fahren einfach ein Stück weiter als die Stelle, an der du deine Karre geparkt hast. Da gibt’s ‘nen Trampelpfad zum Kanal. Direkt bei denen vorbei. Und viele Büsche und Bäume.«
»Gut. Ich bin dabei«, antwortete Cengiz. »Und wie hast du dir das vorgestellt?«
»Ganz einfach. Heute war der Wagen so gegen drei Uhr am Pütt und dann so gegen vier in Herne. Wir sind, um auf Nummer Sicher zu gehen, schon mittags auf Friedrich der Große. Da suchen wir uns ein Versteck und warten.«
»Einverstanden, ich nehme mir ‘nen Tag frei«, sagte Cengiz.
Und ergänzte: »Geniale Idee. Einfach und genial.« Nur schade, daß er nicht an das glaubte, was er sagte.
30
Es regnete in Strömen. Esch parkte seinen Wagen etwa 200
Meter hinter der Einfahrt zum Gelände der Firma Schuffer und hängte sich das Fernglas um, das er seit dem Gastspiel der Rolling Stones im Parkstadion Gelsenkirchen besaß. Rainer und Cengiz stiegen aus.
Am Ende der Straße begann ein kleiner Pfad, der erst durch Unterholz führte und dann an einem größeren Weg endete. Sie wandten sich nach links, und nach einer Biegung lag vor ihnen ein größerer Teich. Aus dem Wasser ragten abgestorbene Baumstämme wie skelettierte Finger heraus. Am Ufer wuchs Schilf, und ein Hinweisschild informierte die Wanderer, daß es sich bei dem Teich und dem angrenzenden Waldstück um ein Naturschutzgebiet handelte.
Welche Ironie, dachte Esch. Viele Umweltschützer opponierten gegen den Kohleabbau, da dieser Bergschäden verursachte, und einige Jahrzehnte später wurden aus den ehemaligen Bergsenkungsgebieten wieder schützenswerte Feuchtbiotope. Alles eine Frage der Zeit.
Sie kletterten eine kleine Anhöhe hinauf
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