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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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weitergegeben«, sagte er leise.
    »Wussten Ihre Kollegen, aus welcher dubiosen Quelle Sie Ihre Ware bezogen haben?«
    Lehmann schüttelte den Kopf.
    »Aber die anderen Apotheker müssen doch Verdacht geschöpft haben«, wunderte sich der Hauptkommissar. »Oder sind solche Rabatte in Ihrer Branche üblich?«
    Sein Gegenüber gab keine Antwort.
    »Wie haben Sie die anderen Abnehmer denn gefunden?«
    »Auf Kongressen. Man trifft sich abends in der Hotelbar beim Bier und dann…«
    »Kann ich mir vorstellen«, unterbrach ihn Brischinsky. »Man klagt sich gegenseitig sein Leid über die geringen Umsätze und Gewinne und ist einem schnellen Euro nicht abgeneigt. War es so?«
    »Ja. Ungefähr.«
     
    »Versteuert haben Sie und Ihre Kollegen diese Extraprofite vermutlich nicht, oder?«
    »Ich nicht, nein.«
    »Hm. Dazu werden Ihnen unseren Kollegen, die sich mit Wirtschaftskriminalität befassen, vermutlich noch einige Fragen stellen. Kommen wir zu Hendrikson zurück. Hat er Ihnen die Ware persönlich geliefert?«, erkundigte sich der Hauptkommissar.
    »Nein. Wir haben ihn nie von Angesicht zu Angesicht gesehen.«
    »Sie wissen nicht, wie er aussieht?« Baumann schien enttäuscht.
    »Nein. Wir kennen nur seinen Helfer.«
    »Das müssen Sie uns genauer erklären.« Brischinsky nippte am Kaffee, verzog angewidert das Gesicht und stellte die Tasse mit dem mittlerweile kalt gewordenen Getränk zurück auf den Tisch.
    »Die erste Kontaktaufnahme erfolgte über das Telefon und durch Hendrikson selbst. Wir vereinbarten ein Treffen. Es kam aber nicht Hendrikson.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Die Sprache. Hendrikson spricht fehlerfreies Deutsch. Der Mann, mit dem wir uns an der Autobahnraststätte Hohenhorst trafen, hatte einen starken Akzent.«
    »Diesen Mann können Sie aber beschreiben?«
    »Ich weiß nicht. Ein Südeuropäer. Vielleicht aus Jugoslawien.«
    »Na gut. Das klären wir später. Wie ging es weiter?« Der Hauptkommissar griff erneut zu seiner Tasse und entsorgte den Rest in einem Jogurtbecher, den er vor einigen Minuten geleert hatte. Dann schnappte er sich die Warmhaltekanne.
    »Hendriksons Beauftragter erklärte uns die Modalitäten.
    Jeden Monat erhielten wir an der Raststätte etwa einhundert bis einhundertfünfzig Packungen, die wir im Folgemonat bezahlten.«
    »Quasi in Kommission?«, sagte der Hauptkommissar ein wenig spöttisch.
    »Wenn Sie so wollen, ja.«
    »Und dann?«
    »Wurden die Lieferungen eingestellt.«
    »Wann war das genau?«
    »Im Frühjahr 2001.«
    »Vor etwas mehr als einem Jahr also«, meinte Brischinsky.
    »Und?«
    Lehmann antwortete nicht.
    Brischinsky beugte sich wieder vor. »Was war dann?«
    »Nichts. Wir haben seither keine Aids-Medikamente mehr verkauft.«
    »Aha. Warum hat Hendrikson Ihre Apotheke in die Luft gejagt, wie Sie ja annehmen?«
    »Wir wollten nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.«
    »Wann? 2001?«
    Lehmanns Mundwinkel zuckten. »Ja.«
    »Und es gab deshalb Streit?«
    »Ja.«
    Der Hauptkommissar dachte einen Moment nach. »Und das passierte alles Anfang 2001?«
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt.«
    Brischinsky kratzte sich wieder am Kopf. Plötzlich brüllte er ohne Vorwarnung los: »Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen, oder was?! Sie streiten sich mit diesem Hendrikson und knapp achtzehn Monate später kommt der daher und sprengt mir nichts, dir nichts Ihr Haus in die Luft. Mal eben so.
    Aus Rache. Weil Sie sich an seinem schönen Geschäft nicht mehr beteiligen wollten, das vor mehr als einem Jahr schon beendet worden ist. Ich glaube Ihnen kein Wort, Herr Lehmann.«
    Bevor der Apotheker antworten konnte, griff der Anwalt ein.
    »Dürfte ich mit meinem Mandanten einen Moment allein sprechen?«
    Rüdiger Brischinsky nickte und zeigte zur Tür.
     
    28
    Als Esch am nächsten Morgen erwachte, fiel ihm ein, dass er nach seiner Heimkehr mit einem Taxi noch zahlreiche Telefonate geführt hatte. Er versuchte zu sortieren, wen er alles zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett geholt hatte, um von seiner Verantwortung als zukünftiger Familienvater zu erzählen. Doch er bekam die Namen nicht mehr zusammen.
    Außerdem konnte er sich nicht erinnern, wo er gestern seinen Wagen geparkt hatte.
    Ein schrilles Klingeln ließ ihn zusammenzucken. Er sah auf seinen Wecker. Kurz nach zehn. Wer in aller Welt rief ihn um diese Zeit an einem Wochenende an? Er zog sich das Kissen über den Kopf, aber der unbekannte Anrufer war hartnäckig.
    Dreißig Sekunden später hatte er gewonnen.

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