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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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Schluss nahe. Und anscheinend hatte er seine eigenen Vorstellungen, wie ein länderübergreifender Polizeieinsatz abzulaufen hatte. Als Prüchler den Recklinghäuser erneut im breitesten Sächsisch mit einer eigenwilligen Interpretation des bürokratischen Regelwerks seines Innenministers konfrontierte, platzte Brischinsky endgültig der Kragen.
    »Es ist gleich neun. Wir haben seit Stunden nichts gegessen und getrunken. Wissen Sie eigentlich, wie lange meine Kollegen und ich schon im Dienst sind? Fast vierzehn Stunden.
    Und Sie halten mich mit Ihrem Scheißformalismus auf.
    Schreiben Sie doch in Ihren Bericht, was Sie wollen. Und schicken Sie meinem Präsidenten eine Durchschrift. Oder noch besser: gleich dem Minister. Oder dem Bundeskanzler.
    Vielleicht bringt ihn das auf andere Gedanken. Soll ich Ihnen sagen, was ich jetzt machen werde? Ich schnappe mir meinen Verdächtigen, setze ihn in meinen Wagen und wir fahren zurück. Und das sofort.«
    Rüdiger Brischinsky erhob sich von dem Sitz, auf dem sonst Verkehrssünder Platz nahmen. Zu abrupt, wie er unmittelbar darauf feststellen musste. Er prallte mit der linken Kniescheibe gegen den fest verschraubten Tisch, geriet ins Wanken, machte einen unkontrollierten Schritt nach vorn und stieß mit seinem frisch operierten rechten Fuß mit voller Wucht gegen den Türholm des Polizeifahrzeugs.
    Er stöhnte kurz auf und trat auf den Parkplatz.
    Kossler und Baumann, beide eine Coladose in der Hand, lehnten am Passat.
     
    Brischinsky humpelte zu seinen Kollegen hinüber, warf einen sehnsüchtigen Blick auf deren Getränke und fragte Baumann:
    »Etwas gefunden?«
    Wortlos schüttelte der den Kopf.
    Kossler war etwas informativer: »Der Wagen war vollkommen sauber. Ist eben ein Leihwagen. Nur der Mietvertrag lag im Handschuhfach. Und der Ausweis unseres Freundes.« Er reichte Brischinsky das Dokument. »Er ist Weißrusse und heißt Wladimir Kulianow.«
    Brischinsky blätterte ohne rechte Begeisterung in dem Pass.
    »Haben wir etwas über ihn?«
    Baumann schaltete sich ein. »Nein, er ist ein völlig unbeschriebenes Blatt.«
    »Was ist mit dem Geld?«
    Der Hauptkommissar sah hoch, als keiner antwortete. Kossler musterte interessiert die Spitzen seiner Turnschuhe, während Heiner Baumann angestrengt an seinem Chef vorbei die Autobahn fixierte.
    »Nun?«
    »Leider auch nichts«, rang sich sein Assistent zu einer Auskunft durch.
    »Was soll das heißen?« Brischinsky steckte den Ausweis in die Tasche und musterte Baumann.
    Der versank fast im Boden. »Wir haben kein Geld gefunden.
    Das heißt, er hatte etwa fünfhundert Euro dabei. Aber der Rest… Ich befürchte, als er auf der Toilette in der Raststätte war…«
    »Verdammt!« Brischinsky war sauer.
    »Müller ist sofort wieder hingefahren und hat nachgesehen.«
    »Und?«
    Baumann musste wieder den Kopf schütteln.
     
    »Tolle Arbeit, Heiner. Wirklich ganz toll.« Dann sagte er nach einer Pause: »Habt ihr den Verdächtigen schon vernommen?«
    »Wir haben es versucht.«
    »Und wie, bitte, soll ich das jetzt deuten?«
    »Er gibt vor, kein Deutsch zu verstehen.«
    Für einen Moment schnappte Brischinsky nach Luft. »Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wir sind hier östlich der früheren Zonengrenze, falls euch das noch nicht aufgefallen ist. Hier spricht jeder Russisch. Auch die Polizei.« Mit einem theatralisch verzweifelten Gesichtsausdruck drehte er ab und schlurfte Richtung VW-Bus. Und Brischinsky lag mit seiner Behauptung richtig. Hauptkommissar Prüchler sprach fließend Russisch. Und war nach einigen versöhnlichen Worten des Recklinghäusers auch bereit zu helfen. »Zwei Jahre Moskau.
    Austauschprogramm«, erklärte er.
    Kurz darauf konnte er Brischinsky berichten, dass Wladimir Kulianow in einer Kneipe in Minsk von einem ihm Unbekannten angeheuert worden war. Einhundert Euro Vorschuss, das Handy, Spesen und ein Busticket nach Berlin waren ihm noch in der Kneipe übergeben worden. Nein, der Mann, der ihn engagiert hatte, war kein Deutscher, sondern Russe gewesen. Es sei ihm gesagt worden, dass er das Handy nach Erfüllung seines Auftrages behalten dürfe. Eines der Dinger, die mit fünfzig Euro Guthaben ausgestattet werden.
    Von Berlin sei er dann weiter mit dem Zug nach Dortmund gereist. Dort habe er – wie aufgetragen – den Audi gemietet und war von da aus zur Raststätte gefahren, hatte auf Lehmann gewartet, das Geld in Empfang genommen und war dann, seinen Instruktionen folgend, um zehn nach fünf zur Toilette

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