Zweyer, Jan - Rainer
vor den Nachbarn und Arbeitskollegen geheim blieben. Und waren auf dieser Basis zur Zusammenarbeit bereit. Das war ein Ansatzpunkt. Schmidt machte eine Notiz. Dieses Problems würde er sich zu einem späteren Zeitpunkt annehmen. Er musste nur Hendrikson über die Option informieren. Sein Mund fühlte sich trocken an.
»Frau Semmler?«, rief er, bekam aber keine Antwort. Seine Sekretärin war schon gegangen.
Schmidt stand auf. In der Kaffeeküche am Ende des Flures versorgte er sich mit kühlem Mineralwasser. Gierig trank er direkt aus der Flasche. Für einen Moment dachte er an Eva und Nina. Hoffentlich ging es den beiden gut.
Auf dem Rückweg zu seinem Büro fiel Schmidt der Anruf dieses Anwalts wieder ein. Er vertrete die Erben Mühlenkamps, hatte er behauptet. Und sich sehr intensiv nach den Modalitäten erkundigt, mit denen sie ihre Geschäfte abwickelten. Wie hieß der Anwalt doch gleich? Er hatte den Namen doch notiert. Irgendwo auf seinem Schreibtisch musste der Zettel liegen…
Nach kurzem Suchen fand Schmidt den Wisch. Rainer Esch.
Dummerweise hatte er sich nicht nach der Adresse von Esch erkundigt. Aber da Mühlenkamp aus Recklinghausen stammte, lag die Vermutung nahe, dass auch sein Anwalt sein Büro in der näheren Umgebung hatte. Er würde morgen Karin Semmler mit dieser Recherche beauftragen.
Wahrscheinlich gab es keinen Grund zur Besorgnis. Der Anwalt tat vermutlich nur seinen Job. Trotzdem würde er Hendrikson bei nächster Gelegenheit über diesen Anruf informieren. Man konnte ja nie wissen.
35
Die Verhandlung vor dem Haftprüfungsrichter dauerte nur wenige Minuten. Kurz und knapp beschied der Vorsitzende die Staatsanwaltschaft und Hauptkommissar Brischinsky, dass Wladimir Kulianow unverzüglich auf freien Fuß zu setzen sei.
Zwar waren die fünfhundert Euro, die der Minsker bei sich hatte, beschlagnahmt worden, der Russe behauptete aber steif und fest, nicht gewusst zu haben, dass es sich um erpresstes Geld handelte. Da ihm das Gegenteil nicht nachzuweisen war und er auch sonst keine Straftat begangen hatte, wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Und Brischinsky war um eine Hoffnung ärmer.
»Nun sind wir genauso weit wie am Anfang«, stellte der Hauptkommissar resignierend fest, als er Baumann wieder gegenübersaß. »Dieser Hendrikson ist ein Phantom. Auf jeden Fall wird die Überwachung von Lehmanns Telefon fortgesetzt.
Auch wenn ich mir nicht sehr viel davon verspreche. Dieser Kulianow wird doch alles seinen Hintermännern in Minsk erzählen. So erfährt es todsicher auch Hendrikson. Wenn er uns nicht ohnehin auf dem Parkplatz beobachtet hat.«
»Hast du eine Idee, wie wir trotzdem an ihn rankommen könnten?«
Brischinsky schüttelte den Kopf. »Wir könnten Kulianow weiter beschatten. Aber ich bin davon überzeugt, dass er auf direktem Weg nach Minsk zurückkehren wird. Hinter der Grenze sind uns die Hände gebunden.«
»Was ist mit dem Tonband?«, schlug Baumann vor.
Der Hauptkommissar nickte nachdenklich. »Daran habe ich auch schon gedacht. Lehmann behauptet zwar, dass das nicht Hendriksons Stimme ist, aber es wäre ja möglich, dass er sich irrt.«
»Und selbst wenn es nicht Hendrikson ist, könnte uns der Anrufer zu ihm führen.«
»So ist es«, bekräftigte Brischinsky. »Also dann los.«
Vier Stunden später waren die erforderlichen Vorbereitungen getroffen. Zwar hatte der Polizeipräsident eine bundesweite Aktion wegen der zu erwartenden Kosten untersagt, aber die Presseerzeugnisse des Ruhrgebietes, die lokalen Radiostationen und der WDR würden ab dem nächsten Morgen eine Woche lang auf die kostenlosen Hotline-Nummern der Kripo Recklinghausen hinweisen, unter denen der Anruf abgehört werden konnte. Vielleicht spielte endlich ein wenig Glück mit, so hofften die Beamten, und sie kamen über diesen Weg weiter.
»Jetzt können wir nur noch warten«, stellte Brischinsky fest.
Das Telefon schrillte. Der Hauptkommissar meldete sich.
»Nein, den Fall bearbeitet mein Kollege«, antwortete er.
»Einen Augenblick bitte.« Er reichte Baumann den Hörer.
»Das Labor der Gerichtsmedizin«, sagte er mit normaler Stimme. Und dann, fast flüsternd: »Dein spezieller Freund.«
Der Weißkittel, der das Ableben Mühlenkamps begutachtet hatte, redete sofort los: »Wir haben das Seil untersucht, das Sie uns überlassen haben. Ein Volltreffer. Die Faserspuren an den Handgelenken des Toten sind zu achtundneunzig Prozent identisch mit denen des Beweisstückes.«
»Kein
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