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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ohne einen einzigen Knoten abrollen läßt: angenehm warm, aber nicht schweißtreibend heiß, geringe Feuchtigkeit, eine leichte Brise, die Kühlung brachte, aber nicht stark genug war, um Probleme mit den Zelten zu schaffen, Tausende von Besuchern, denen das Geld locker in der Tasche saß — und keine Trolle.
    Bei Einbruch der Dunkelheit änderte sich das alles.
    Es begann damit, daß ich Trolle auf der Schaustellerstraße entdeckte. Nicht viele, nur ein halbes Dutzend, aber sie sahen noch schlimmer aus als gewöhnlich. Ihre Schnauzen wabbelten noch ekelerregender, und ihre roten Augen glühten in fieberhaftem Haß, der weit über das normale Maß ihrer bösartigen Blicke hinausging. Ich spürte, daß sie den Siedepunkt überschritten hatten und darauf brannten, einen mörderischen Auftrag auszuführen, um den unerträglichen Druck in ihrem Innern etwas zu verringern.
    Dann erregte das Riesenrad meine Aufmerksamkeit. Es machte Veränderungen durch, die nur meine Augen wahrnehmen konnten. Zunächst wurde die riesige Maschine immer größer, so als richtete sich irgendein lebendiges Wesen auf, das bis dahin eine geduckte Haltung eingenommen hatte, um seine tatsächliche Größe geheimzuhalten. In meiner Vision wurde es immer höher und breiter, bis es nicht nur alle anderen Attraktionen überragte — das tat es von jeher —, sondern ein wahrhaft gewaltiger Mechanismus war, eine turmartige Konstruktion, die unvorstellbares Unheil anrichten würde, falls sie umstürzte. Gegen zehn begann die strahlende Beleuchtung des Rades immer schwächer zu werden, bis es um elf völlig dunkel war. Ein Teil von mir sah, daß die Lichter weiterhin hell erstrahlten, speziell, wenn ich das Riesenrad nur aus dem Augenwinkel heraus betrachtete; sobald ich mich ihm aber direkt zuwandte, sah ich nur ein kolossales, unheilvoll dunkles Rad, das sich vor einem schwarzen Himmel schwerfällig drehte, so als wäre es eines der Mühlräder des Schicksals — jenes, das erbarmungslos das Mehl der Trübsal und des grausamen Unglücks erzeugt.
    Ich wußte, was diese Vision bedeutete. Die Katastrophe am Riesenrad würde sich nicht an diesem Abend ereignen. Doch die Voraussetzung für die Tragödie würde bald geschaffen werden, in den Stunden nach Schließung des Rummelplatzes. Das halbe Dutzend Trolle, das ich gesehen hatte, war ein Kommandotrupp, der sich auf dem Gelände verstecken würde. Ich spürte es, wußte es. Wenn alle Schausteller zu Bett gegangen waren, würden die dämonischen Kreaturen aus ihren diversen Schlupflöchern kriechen, sich am Riesenrad treffen und den Sabotageakt ausführen, wie sie es schon in der Nacht zum Montag vorgehabt hatten, als Jelly Jordan sie überrascht hatte. Und morgen würden dann irgendwelche Unschuldigen, die sich auf eine Fahrt mit dem Riesenrad freuten, auf schreckliche Weise ums Leben kommen.
    Gegen Mitternacht war das Mammut-Rad — durch meine Zwielicht-Augen gesehen — nicht nur seiner Lichter beraubt, sondern eine große Maschine, die selbst tiefe Dunkelheit zu erzeugen vermochte. Ähnlich kalt und beunruhigend hatte es auf mich gewirkt, als ich es vergangene Woche nachts in einer anderen Stadt zum erstenmal gesehen hatte, doch jetzt war dieser Eindruck noch ungleich stärker und erschreckender.
    Ausnahmsweise gehörte ich an diesem Abend zu den ersten, die kurz vor eins ihre Attraktionen schlossen, und als ich Marco zufällig vorbeigehen sah, rief ich ihn herbei und überredete ihn, Rya die Tageseinnahmen zu bringen und ihr auszurichten, ich hätte noch etwas Wichtiges zu erledigen und käme erst später.
    Während auf dem ganzen Rummelplatz allmählich die Lichter ausgingen und die Schausteller einzeln oder in kleinen Gruppen davoneilten, schlenderte ich möglichst harmlos und unauffällig auf die Mitte der Anlage zu, wo ich mich für die nächsten zehn Minuten unter einem Lastwagen versteckte. Die trocknenden Finger der Sonne hatten diesen Fleck in den letzten drei Tagen nicht erreichen können; die Feuchtigkeit drang durch meine Kleidung und verstärkte noch das Frösteln, das ich nicht mehr los wurde, seit ich die Veränderungen am Riesenrad bemerkt hatte.
    Die letzten Lichter erloschen.
    Die letzten Generatoren wurden abgestellt.
    Die letzten Stimmen verhallten.
    Ich wartete noch ein bis zwei Minuten, dann kroch ich unter dem LKW hervor und lauschte angespannt.
    Nach dem ohrenbetäubenden Lärm wirkte die plötzliche Stille direkt unheimlich. Nichts. Kein einziger Laut. Kein Ticken. Kein

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