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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Kratzen. Kein Knistern.
    Auf dunklen Schleichpfaden schlich ich geduckt zur Achterbahn und erklomm die etwa drei Meter hohe Plattform. Dieser Beobachtungsposten hatte den Vorteil, daß ich sowohl den unteren Teil des Riesenrades als auch die ganze nähere Umgebung überblicken konnte, während ich selbst so gut wie unsichtbar war.
    Die Nacht hatte seit letzter Woche ein Stück des Mondes verschlungen; nun war er nicht mehr so hilfreich wie damals, als ich dem Troll zum Autoscooter gefolgt war. Andererseits bot die Dunkelheit mir mehr Schutz, so daß Vor- und Nachteile sich in etwa die Waage hielten.
    Vierzig nervenaufreibende ereignislose Minuten vergingen, bevor ich hörte, wie der erste Eindringling sein Versteck verließ. Ich hatte Glück, denn das Geräusch — ein Kratzen von Metall auf Metall und ein leises Quietschen ungeölter Türangeln — kam ganz aus der Nähe. Hinter der Achterbahn standen Lastwagen, Generatoren und anderes Zubehör herum, und dem Quietschen folgte im nächsten Moment eine Bewegung. Eine der Doppeltüren im Ladebereich eines LKW öffnete sich, und ein Mann kam vorsichtig heraus, nur etwa sechs Meter von mir entfernt. Jeder andere hätte in ihm nur einen ganz normalen Mann gesehen, doch für mich war er ein Troll, und mir saß plötzlich die Angst im Nacken. Im schwachen Mondlicht konnte ich von dem Dämon unter der menschlichen Hülle nicht viel erkennen, aber die rotglühenden Augen waren deutlich zu sehen.
    Die Kreatur spähte umher, glaubte sich unbeobachtet und schloß die Lastwagentür. Sie schob den Riegel so leise wie nur irgend möglich vor, aber dieses Geräusch überdeckte meinen katzenhaften Sprung auf den Boden.
    Der Troll eilte, ohne sich noch einmal umzuschauen, auf das etwa 150 Meter entfernte Riesenrad zu.
    Ich zog mein Messer aus dem Stiefel und folgte ihm.
    Er bewegte sich mit größter Vorsicht.
    Ich ebenfalls.
    Er bewegte sich fast lautlos.
    Ich bewegte mich völlig lautlos.
    Neben einem anderen Lastwagen holte ich ihn ein. Er bemerkte mich erst, als ich ihn ansprang, einen Arm um seinen Hals schlang, seinen Kopf zurückriß und ihm die Kehle durchschnitt. Als das Blut hervorschoß, ließ ich ihn los und sprang beiseite. Er sackte schlaff in sich zusammen, wie eine Marionette, deren Fäden abgeschnitten worden waren. Auf dem Boden zuckte er noch einige Sekunden und griff sich mit beiden Händen an die klaffende Kehle. Er konnte keinen Laut hervorbringen, und es dauerte nicht einmal eine halbe Minute, bis auch die letzten Bewegungen aufhörten. Die roten Augen, die mich haßerfüllt fixiert hatten, erloschen.
    Jetzt war er nur noch ein Mann mittleren Alters mit dichten Koteletten und einem Dickbauch.
    Ich schob die Leiche unter den Lastwagen, um zu verhindern, daß einer der anderen Trolle darüber stolperte und so auf die drohende Gefahr aufmerksam werden konnte. Später würde ich zurückkommen, den Leichnam enthaupten und zwei weit voneinander entfernte Gräber schaufeln müssen. Doch im Moment hatte ich andere Sorgen.
    Meine Chancen standen jetzt etwas besser. Fünf zu eins statt sechs zu eins. Aber ermutigend war auch das nicht gerade.
    Ich versuchte mir einzureden, daß nicht alle sechs Trolle, die ich gesehen hatte, zurückgeblieben waren, aber es half nichts. Ich wußte, daß sie alle in der Nähe waren.
    Ich hatte rasendes Herzklopfen, aber mir war weder schwindelig, noch war ich benommen. Im Gegenteil, ich registrierte die feinsten Nuancen der Nacht; so ähnlich muß sich ein Fuchs fühlen, wenn er eine Beute jagt und gleichzeitig auf der Hut vor seinen Feinden ist.
    Ich schlich mich von einer Deckung zur nächsten, lauschte, spähte nach allen Seiten.
    Ich rannte geduckt.
    Ich kroch.
    Die dünnen Beine eines Moskitos kitzelten mich am Hals, und ich war schon drauf und dran, nach ihm zu schlagen, als mir in letzter Sekunde einfiel, daß das klatschende Geräusch mich verraten könnte. Als er mich stach, zerquetschte ich ihn lautlos.
    Ich glaubte, am Lachkabinett etwas gehört zu haben, aber wahrscheinlich war es mein sechster Sinn, der mich dorthin führte. Das riesige Clownsgesicht schien mir im Halbdunkel zuzuzwinkern, aber keineswegs vergnügt, sondern so, wie der Tod einem vielleicht zublinzelt, während er seine Sense schwingt.
    Ein Troll stieg gerade aus dem großen offenen Mund des Clowns hervor, um zu seinem Rendezvous mit den fünf anderen zu eilen. Dieser hier war als junger Mann Mitte Zwanzig getarnt, der in Haarschnitt und Kleidung Elvis

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