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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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geschnitzter und verzierter europäischer Möbel — ob nun französisch, italienisch oder englisch — wäre durch Joels mächtige Statur und sein alptraumhaftes Gesicht gespenstisch verändert worden, hätte nicht elegant, sondern unheimlich gewirkt und an die düsteren alten Häuser und Spukschlösser in unzähligen Filmen erinnert. Doch in diesem zeitgenössischen Ambiente fielen seine Verunstaltungen viel weniger auf als sonst; man hatte fast den Eindruck, als wäre er eine ultramoderne surrealistische Skulptur, die in solche klaren Räume wie diesen gehörte.
    Trotzdem war die Wohnung der Tucks alles andere als kalt oder unpersönlich. Eine Längswand des großen Wohnzimmers wurde von weißen Holzregalen eingenommen, die mit gebundenen Büchern gefüllt waren, wodurch der Raum Wärme ausstrahlte. In erster Linie waren es aber Joel und Laura selbst, die eine warme und gemütliche Atmosphäre erzeugten, in der sich jeder Gast sofort wohl fühlte. Fast alle Schausteller, die ich je kennengelernt habe, hatten mich freundlich aufgenommen und vorurteilsfrei als einen der ihren akzeptiert. Doch sogar unter Schaustellern zeichneten sich Joel und Laura besonders aus.
    Im vergangenen August, in jener blutigen Nacht, als Joel und ich sechs Trolle getötet, enthauptet und begraben hatten, war ich sehr erstaunt gewesen, als er seine Frau erwähnte, denn ich hatte mir bis dahin nicht vorstellen können, daß er verheiratet war. Danach war ich dann sehr neugierig gewesen, was für eine Frau das wohl sein mochte. Ich hatte mir alle möglichen Gefährtinnen für einen Mann wie Joel ausgemalt, aber meine Fantasiegestalten hatten mit Laura, die ich bald kennenlernte, wenig Ähnlichkeit.
    Erstens war sie sehr hübsch, schlank und anmutig. Nicht atemberaubend wie Rya, keine Frau, bei deren Anblick Männer sofort schwach wurden, aber entschieden hübsch und begehrenswert: kastanienbraune Haare, klare graue Augen, ein offenes wohlproportioniertes Gesicht, ein herrliches Lächeln. Sie besaß die Selbstsicherheit einer Frau von vierzig, sah aber nicht älter als dreißig aus; ich schätzte sie deshalb auf Mitte Dreißig. Zweitens hatte sie nichts von einem verletzten Vogel an sich, war weder gehemmt noch schüchtern, so daß man nicht sagen konnte, daß sie Mühe gehabt hätte, einen attraktiveren und gesellschaftlich angeseheneren Mann als Joel zu finden. Und sie machte auch absolut keinen frigiden Eindruck. Nichts deutete darauf hin, daß sie Joel nur geheiratet hatte, weil er ihr dankbar sein und deshalb seltener auf sexuellen Kontakten bestehen würde als andere Männer. Im Gegenteil, sie war von Natur aus ein sehr zärtlicher Mensch — sie begrüßte gute Freunde mit Küssen auf die Wange, umarmte sie, drückte ihre Hände usw. —, und alles deutete darauf hin, daß sie im Ehebett zu großer Leidenschaft fähig war.
    An einem Abend in der Woche vor Weihnachten, als Rya und Laura zusammen Einkäufe machten, hatten Joel und ich gemütlich Karten gespielt, Popcorn mit Käsegeschmack gegessen und Bier getrunken. Nachdem er etliche Flaschen ›Pabst Blue Ribbon‹ intus hatte, war er sentimental geworden und hatte nur noch von seiner heißgeliebten Frau gesprochen. Laura sei so sanft, sagte er, so freundlich und liebevoll und großmütig, und sie sei auch klug und geistreich, und mit ihrem Charme könne sie eine Kerze entflammen, ohne ein Streichholz zu benutzen. Vielleicht sei sie keine Heilige, meinte er, aber sie sei verdammt nahe daran. Er erklärte mir, um Laura zu verstehen — und um zu verstehen, warum sie ihn geheiratet hatte —, müsse man erkennen, daß sie zu jenen seltenen Menschen gehörte, die sich nie durch Äußerlichkeiten beeindrucken lassen und nicht nach dem ersten Eindruck urteilen. Sie schaute tief in die Menschen hinein — nicht mit Hilfe irgendwelcher übersinnlicher Kräfte, sondern einfach mit gutem altmodischem Scharfblick. In Joel hatte sie einen Menschen erkannt, der sie fast grenzenlos liebte und achtete und der trotz seines grauenvollen Gesichts gütiger und zu tieferer Zuneigung fähig war als die meisten anderen Männer.
    Jedenfalls, als Rya und ich an jenem 16. März unsere Absicht kundtaten, den Krieg auf das Territorium der Trolle zu verlagern, reagierten Joel und Laura erwartungsgemäß. Sie runzelte die Stirn, ihre Augen verdunkelten sich vor Sorge, und sie streichelte und umarmte uns häufiger als sonst, so als sei jeder Körperkontakt ein Faden in einem Gewebe von Zuneigung, das uns an

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