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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vielstimmigen Wind.
    Das dritte Fenster gehörte zum Eßzimmer. Es war leer.
    Im Haus schrie eine Frau. Etwas dröhnte und krachte.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, daß Rya ihre Waffe hob.
    Durch das vierte und letzte Fenster auf dieser Seite des Hauses blickte ich in ein etwa dreieinhalb Meter langes und genauso breites Zimmer, das so gut wie leer war; keine Dekorationen, keine Bilder; die beigen Wände und die beige Decke waren mit rostbraunen Flecken übersät; ebenso der graue Linoleumboden. Dieser Raum paßte überhaupt nicht zu dem Haus mit dem gepflegten Wohn- und Eßzimmer.
    An diesem Fenster waren die Vorhänge fast zugezogen, doch wenn ich mein Gesicht an die Scheibe preßte, konnte ich durch den Spalt zwischen den Brokatvorhängen immerhin etwa 70 Prozent des Zimmers überblicken — einschließlich der rothaarigen Frau, die nackt auf einem ungepolsterten Holzstuhl saß, die Hände hinter der Rückenlehne gefesselt. Sie war mir so nahe, daß ich sogar die blauen Venen in ihrer hellen Haut erkennen konnte — und ihre Gänsehaut. Mit schreckensweit aufgerissenen Augen starrte sie auf etwas, das sich außerhalb meines Blickfeldes befand.
    Ein weiteres Dröhnen. Die Hauswand bebte, so als wäre von innen etwas Schweres dagegen geschleudert worden.
    Ein unheimliches Quieken. Ich erkannte es sofort — der schrille Schrei eines Trolls in höchster Erregung.
    Auch Rya hatte das Geräusch offenbar identifiziert, denn sie stieß mit angeekeltem Zischen die Luft aus.
    In dem unmöblierten Raum geriet ein Troll in mein Blickfeld. Er hatte sein menschliches Kostüm abgelegt, aber ich wußte, daß ich den Polizisten vor mir hatte. Er bewegte sich auf allen vieren mit jener für Trolle typischen Anmut, die man ihnen bei den verformten Schulter- und Hüftknochen niemals zugetraut hätte. Er hatte den bösartigen Hundekopf gesenkt und bleckte seine messerscharfen Reptilzähne. Die gespaltene, fleckige Zunge hechelte. Die schweineartigen Augen, rot und glühend und haßerfüllt, fixierten die hilflose Frau, die dem Wahnsinn nahe schien.
    Plötzlich wirbelte der Unhold jedoch herum und raste auf allen vieren durchs Zimmer, so als wollte er mit dem Kopf die Wand durchstoßen. Stattdessen kletterte er zu meiner großen Überraschung an der Wand hoch, brachte dicht unter der Decke mit der Geschwindigkeit einer Kakerlake die Längsseite des Raumes hinter sich, sodann auch noch die Hälfte der Querwand, bevor er auf den Boden zurückkehrte, vor der gefesselten Frau anhielt und sich auf die Hinterbeine stellte.
    Mir gefror das Blut in den Adern.
    Ich hatte gewußt, daß die Trolle flinker und beweglicher als die meisten Menschen waren, aber eine Vorstellung wie diese hatte ich noch nie erlebt, vielleicht, weil ich sie sehr selten in der Privatatmosphäre ihrer Wohnungen erlebt hatte. Und wenn ich Trolle umbrachte, tötete ich sie im allgemeinen so schnell, daß sie keine Möglichkeit hatten, über Wände und Decken zu entkommen.
    Ich hatte geglaubt, alles über sie zu wissen, doch nun hatte ich wieder eine Überraschung erlebt. Das deprimierte mich und steigerte meine Nervosität, denn ich fragte mich unwillkürlich, ob sie noch mehr solcher Talente besaßen, von denen ich nichts ahnte. Wenn ich im falschen Moment mit etwas Derartigem konfrontiert wurde, konnte das meinen Tod zur Folge haben.
    Ich hatte Angst.
    Was mir Angst einjagte, war aber nicht nur die bestürzende Fähigkeit des Trolls, wie eine Eidechse an Wänden hochzuklettern. Ich hatte auch Angst um die gefesselte Frau. Als der Unhold sich auf die Hinterbeine aufrichtete, enthüllte er etwas, das ich ebenfalls noch nie gesehen hatte: einen etwa 30 cm langen Phallus, der normalerweise, wenn er nicht erigiert war, in einem schuppigen Sack verborgen war. Das scheußliche Glied hatte die Form eines Säbels, war dick und gefurcht.
    Das dämonische Wesen wollte die Frau offenbar vergewaltigen, bevor es sie mit Krallen und Zähnen zerfetzen würde. Und es bevorzugte für diese Notzucht seine Monstergestalt, weil das Entsetzen des Opfers dadurch noch um ein Vielfaches gesteigert würde.
    Ich zweifelte keine Sekunde daran, daß ein bestialischer Mord den krönenden Abschluß des Geschehens für den Unhold bilden würde. Und schlagartig wurde mir klar, warum dieser Raum unmöbliert war, warum Wände und Fußboden mit rostbraunen Flecken übersät waren. Dies war ein Schlachthaus. Hierher waren schon andere Frauen gebracht worden, und man hatte sie verhöhnt, in Todesangst

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