Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
aus.«
    Sie befolgte meine Anweisungen. »Was ist denn los?«
    »Der Bulle an der Kreuzung«, sagte ich.
    »Ja, den habe ich gesehen«, meinte Rya. »Ein Troll.«
    Ich konnte im Rückspiegel sehen, daß die Ampel noch nicht umgeschaltet hatte, daß der Streifenwagen noch an der Ecke wartete.
    »Wir müssen ihn daran hindern.«
    »Den Bullen? Woran willst du ihn denn hindern?«
    »Er will jemanden umbringen.«
    »Alle Trolle wollen jemanden umbringen«, sagte sie. »Das ist doch ihre Lieblingsbeschäftigung.«
    »Nein. Ich meine... heute abend. Er wird noch heute abend jemanden umbringen.«
    »Bist du sicher?«
    »Bald. Sehr bald.«
    »Wen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, er weiß es selbst noch nicht. Aber innerhalb der nächsten Stunde wird sich ihm eine Gelegenheit bieten. Und er wird sie sich nicht entgehen lassen.«
    Die Ampel schaltete um, und der Troll fuhr in unsere Richtung.
    »Folg ihm«, sagte ich. »Aber fahr nicht zu dicht an ihn ran. Er darf nicht merken, daß er beobachtet wird.«
    »Slim, wir haben eine wichtigere Mission, als ein einzelnes Leben zu retten. Wir dürfen nicht alles aufs Spiel setzen, nur um...«
    »Wir müssen! Wenn wir ihn wegfahren lassen, obwohl wir wissen, daß er heute abend einen unschuldigen Menschen ermorden wird...«
    Der Streifenwagen fuhr an uns vorbei, in Richtung Duncannon.
    Rya gab noch nicht klein bei. »Hör mal, einen einzigen Mord zu verhindern, kommt mir fast so vor, als wollte man mit einem Kaugummi ein riesiges Loch in einem Damm ausbessern. Wir sollten uns lieber ruhig verhalten und weitere Nachforschungen anstellen, um dann gegen das ganze hiesige Trollnest losschlagen zu...«
    »Kitty Genovese«, sagte ich nachdrücklich.
    Rya starrte mich an.
    »Denk an Kitty Genovese«, wiederholte ich.
    Sie blinzelte. Erschauderte. Seufzte. Folgte widerwillig dem Streifenwagen.

23 -  Das Schlachthaus
     
    Der Polizist fuhr durch eine heruntergekommene Vorstadtgegend: kaputte Gehwege, ausgetretene Stufen, zerbrochene Terrassengeländer, verwitterte Mauern, abbröckelnder Verputz. Hätten diese Häuser Stimmen gehabt, so hätten sie bestimmt geseufzt und gestöhnt, gejammert und gehustet, geklagt und sich bitter über die Ungerechtigkeit ihres würdelosen Alterungsprozesses beschwert.
    Wir folgten dem Streifenwagen.
    Gleich nach Unterzeichnung des Mietvertrags hatten wir Schneeketten gekauft, die jetzt klirrten, rasselten und bei höheren Geschwindigkeiten schrill sangen. Hin und wieder hörte man unter ihnen den verwundeten Schnee protestierend knirschen.
    Der Polizist fuhr langsam an einer Reihe geschlossener Geschäfte vorbei — einer Reifenhandlung, einer geschlossenen Tankstelle, einem schäbigen Bücherantiquariat — und leuchtete mit seinem grellen Suchscheinwerfer die Seiten der Gebäude ab, in der vergeblichen Hoffnung, irgendeinen Einbrecher ertappen und festnehmen zu können.
    Wir ließen ihm mindestens einen Block Vorsprung und riskierten es sogar, ihn für lange Sekunden aus den Augen zu verlieren, wenn er um eine Ecke bog, nur damit er nicht bemerkte, daß er verfolgt wurde.
    Schließlich stieß er auf ein defektes Fahrzeug, das am Straßenrand abgestellt war, kurz vor der Kreuzung East Duncannon Road und Apple Lane. Es war ein vier Jahre alter grüner Pontiac, schmutzig von einer langen Fahrt durch Schnee und Matsch, mit kleinen Eiszapfen an der hinteren Stoßstange. Das Auto trug ein Nummernschild des Staates New York, was mich in dem Gefühl bestärkte, daß der Troll-Polizist hier sein Opfer finden würde. Schließlich gab ein Ortsfremder, der sich nur auf der Durchreise in Yontsdown befand, die ideale Beute ab, denn niemand würde beweisen können, daß er ausgerechnet in dieser Stadt und nicht anderswo auf seiner langen Route verschwunden war.
    Der Streifenwagen hielt hinter dem Pontiac am Straßenrand an.
    »Fahr vorbei«, sagte ich zu Rya.
    Eine attraktive rothaarige Frau um die Dreißig, in kniehohen Stiefeln, Jeans und grauer Jacke, stand vor dem Auto. Ihr Atem war in der kalten Luft deutlich zu sehen. Sie hatte die Motorhaube geöffnet und einen Handschuh ausgezogen, schien aber nicht zu wissen, was sie tun sollte, und schaute hilfesuchend zu uns hinüber, als wir vor der Kreuzung etwas abbremsten.
    Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich anstelle ihres Gesichts einen Totenschädel mit gähnenden Augenhöhlen.
    Die Vision verschwand, als wir die Frau hinter uns ließen.
    Sie würde noch an diesem Abend sterben — wenn wir ihr nicht

Weitere Kostenlose Bücher