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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zogen unsere Hände mehrmals zurück, nur um sie schon nach wenigen Minuten wieder zusammenzufügen.
    Dann hörte ich zu meinem großen Schrecken, daß sich Schritte unserem Abfluß näherten. Wieder versammelten sich mehrere Trolle um das Stahlgitter.
    Rya und ich rissen unsere Hände zurück.
    Der Strahl einer Taschenlampe fiel durch das Gitter.
     
    Wir zogen uns tiefer in die Rohre zurück.
     
    Das Gitter warf zuckende Schatten auf den Boden zwischen unseren Verstecken.
    Die Lampe wurde ausgeschaltet.
    Ich hatte unwillkürlich die Luft angehalten. Nun atmete ich leise aus und dann ebenso leise ein.
    Die Stimmen entfernten sich nicht.
    Ein schabendes Geräusch, ein Klirren und Poltern...
    Sie hatten das Gitter entfernt.
    Die Taschenlampe wurde eingeschaltet. Ihr Strahl kam mir so grell wie ein Bühnenscheinwerfer vor.
    Direkt vor mir, nur wenige Zentimeter entfernt, war der Boden in helles Licht getaucht. Jede Einzelheit war zu sehen — jeder Kratzer, jede Verfärbung.
    Ich konnte meinen Blick nicht von dem wandernden Lichtstrahl abwenden. Ich befürchtete, daß er etwas erfassen würde, das Rya oder ich fallengelassen hatten. Vielleicht eine Brotkrume von dem Sandwich, das sie mir herübergereicht hatte. Ein einziger weißer Krümel, der sich vom grauen Rohr abhob, würde unser Verderben bedeuten.
    Jenseits des Lichtstrahls sah ich Ryas Gesicht; wir tauschten einen flüchtigen Blick, dann starrten wir beide wieder wie hypnotisiert auf den Lichtstrahl.
    Er bewegte sich plötzlich nicht mehr.
    Ich versuchte zu erkennen, welche Entdeckung den Troll, der die Taschenlampe handhabte, veranlaßt hatte, an einer bestimmten Stelle zu verweilen, aber ich sah nichts Verdächtiges. Der Lichtstrahl rührte sich nicht von der Stelle.
    Die Unterhaltung der Trolle wurde lauter, erregter.
    Ich wünschte sehnlichst, ich könnte ihre Sprache verstehen.
    Ich glaubte jedoch zu wissen, worüber sie diskutierten: Sie wollten hinabsteigen und einen Blick in die abzweigenden Rohre werfen. Irgend etwas mußte ihnen aufgefallen sein, irgend etwas Ungewöhnliches.
    Es überlief mich eiskalt.
    Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie ich verzweifelt rückwärts kroch, während ein Troll mich verfolgte. Die Ungeheuer waren so schnell und so gewandt, daß er den Abstand genügend verkleinert haben würde, um mit seiner Hand nach mir zu schlagen und mir mit den spitzen Krallen das Gesicht zu zerfetzen — oder meine Augen aus den Höhlen zu reißen oder meine Kehle aufzuschlitzen —, während ich auf den Abzug meiner Maschinenpistole drückte. Ich würde ihn höchstwahrscheinlich töten, aber gleichzeitig würde ich selbst eines gräßlichen Todes sterben.
    Die Gewißheit des eigenen Todes würde den Troll nicht davon abhalten, mich zu verfolgen. Ihre Gesellschaft funktionierte wie ein Bienenvolk. Ich wußte, daß keiner von ihnen zögern würde, sich zum Wohle der Gemeinschaft zu opfern. Und selbst wenn es mir gelingen würde, einen oder fünf oder zehn zu erschießen, bevor sie mich verletzen konnten, so würden doch immer neue nachrücken und mich immer tiefer in das Rohr hineintreiben, bis mein Gewehr dann eine Ladehemmung haben würde — und dann würde der letzte von ihnen mich zur Strecke bringen.
    Der Strahl der Taschenlampe bewegte sich wieder.
    Hielt wieder inne.
    Nun kommt doch schon, ihr Schweine, dachte ich verzweifelt. Kommt runter, damit wir's hinter uns bringen.
    Die Taschenlampe wurde ausgeschaltet.
    Meine Muskeln verkrampften sich noch mehr.
    Würden sie im Dunkeln kommen? Warum sollten sie?
    Das Gitter wurde über die Öffnung geschoben.
    Sie stiegen nicht herunter. Sie entfernten sich, überzeugt davon, daß wir nicht hier waren.
    Ich konnte es kaum glauben. Ich streckte meine Hand nach Rya aus. Sie streckte ihre Hand nach mir aus.
    Unsere Hände trafen sich in der Mitte des jetzt wieder dunklen vertikalen Rohres. Ihre Hand war eiskalt, erwärmte sich aber langsam, während ich sie festhielt.
    Ich war plötzlich in Hochstimmung. Mich ruhig zu verhalten, fiel mir sehr schwer. Ich hätte am liebsten gelacht, gesungen und geschrieen. Zum erstenmal, seit wir Gibtown verlassen hatten, lichtete sich der Nebel der Verzweiflung ein wenig und ließ Hoffnung durchschimmern.
    Sie hatten ihren Bunker zweimal durchsucht und uns nicht gefunden. Jetzt würden sie uns wahrscheinlich nie finden, denn sie glaubten bestimmt, daß wir entkommen waren. In einigen Stunden würden wir unser Versteck verlassen und fliehen können — doch zuvor

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