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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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würden.
    Von der genauestens entworfenen, präzise konstruierten und tadellos in Schuß gehaltenen Unterwelt der Trolle gelangten wir nun in das von Menschen und Natur geschaffene Chaos, in die alten Minen, die der Mensch angelegt hatte, die aber die Natur eigensinnig zu zerstören versuchte. Wir rannten, unseren weißen Pfeilen folgend, zwischen teilweise eingebrochenen Wänden. Wir kletterten einen engen vertikalen Schacht mit wackeligen Eisensprossen empor.
    Ein widerlicher Pilz wuchs, an einer Wand. Er zerbarst, als wir ihn streiften, verbreitete einen Gestank wie verdorbene Eier und beschmierte unsere Skianzüge mit Schleim.
    Drei Minuten.
    Während unsere Taschenlampen immer schwächer wurden, hetzten wir durch einen anderen Tunnel, bogen rechts ab und platschten durch eine schmutzige Pfütze.
    Zwei Minuten. 360 Herzschläge.
    Wir hatten für den Hinweg sieben Stunden benötigt; den größten Teil des Rückwegs würden wir also nach den Detonationen bewältigen müssen, aber jeder Meter, um den wir uns vom Bunker der Trolle entfernten, vergrößerte — so hoffte ich zumindest — unsere Chancen, der besonders einsturzgefährdeten Zone zu entrinnen. Schließlich waren wir keine Maulwürfe, die sich zur Oberfläche durchwühlen konnten.
    Die Strahlen der Taschenlampen, die in unseren Händen beim Rennen wild hüpften, warfen gespenstische Schatten über Wände und Decken — eine Geisterschar schien uns zu verfolgen, holte uns ein, überholte uns, fiel wieder zurück, blieb uns aber dicht auf den Fersen.
    Anderthalb Minuten.
    Bedrohliche schwarze Gestalten, manche überlebensgroß, sprangen vom Boden auf, obwohl keine von ihnen uns zu packen versuchte; durch einige rasten wir wie durch Rauchwolken hindurch, andere schmolzen dahin, wenn wir auf sie zujagten, wieder andere flohen zur Decke, so als hätten sie sich in Fledermäuse verwandelt.
    Eine Minute.
    Die sonstige Grabesstille im Erdinneren war jetzt mit verschiedenen rhythmischen Geräuschen erfüllt: unseren dröhnenden Schritten, Ryas lautem Atem, meinem Keuchen. Das Echo hallte zwischen den Felswänden laut wider: eine synkopische Kakophonie.
    Ich dachte, wir hätten noch gut eine halbe Minute Zeit, aber die erste Explosion beendete meinen Countdown. Ein fernes Dröhnen, das ich mehr fühlte als hörte; aber ich wußte, was es war.
    Wir erreichten einen weiteren vertikalen Schacht. Rya steckte ihre Taschenlampe in den Gürtel und kletterte in die Dunkelheit empor. Ich folgte ihr.
    Ein weiteres Grollen, gleich darauf ein drittes.
    Eine der verrosteten Eisensprossen zerbrach in meiner Hand. Ich verlor den Halt und stürzte über drei Meter in die Tiefe.
    »Slim!«
    »Nichts passiert«, rief ich, obwohl ich mir das Steißbein schmerzhaft angeschlagen hatte.
    Zum Glück hatte ich mir kein Bein gebrochen.
    Schnell und geschickt wie ein Affe kletterte ich den Schacht wieder hinauf, was mir in Anbetracht meines schmerzenden Rückens nicht leichtfiel. Aber ich wollte Rya nicht beunruhigen. Sie sollte nur einen Gedanken haben: aus diesen Tunnels herauszukommen.
    Die vierte, fünfte und sechste Detonation erschütterte die unterirdische Anlage, die wir erst vor kurzem verlassen hatten, und die sechste war viel lauter und stärker als alle vorangegangenen. Die Wände des Schachts bebten, und der Boden schwankte unter unseren Füßen, so daß wir fast das Gleichgewicht verloren. Staub, Erde und ein Regen von Steinsplittern ging um uns herum nieder.
    Meine Taschenlampe war endgültig ausgegangen. Ich wollte aber nicht stehenbleiben, um die Batterien zu wechseln — noch nicht. Ich nahm Ryas Lampe an mich und wies uns beiden den Weg, als eine Kette von Explosionen — mindestens sechs oder acht — das Labyrinth erschütterte.
    Ich sah, wie sich in einem alten, morschen Deckenbalken ein Riß zeigte, und tatsächlich stürzte er dicht hinter mir herab. Mit einem Schreckensschrei wirbelte ich auf dem Absatz herum und rechnete mit dem Schlimmsten, aber auch Rya war wohlbehalten davongekommen. Mein Gefühl, daß unsere Glückssträhne anhalten würde, verstärkte sich, und ich wußte, daß wir es schaffen würden, ohne ernsthaft verletzt zu werden. Obwohl ich schon einmal die bittere Erfahrung gemacht hatte, daß es kurz vor Einbruch der Dunkelheit am hellsten ist, hatte ich diese Binsenwahrheit vorübergehend total vergessen. Wenig später würde ich das zutiefst bedauern.
    Dem heruntergestürzten Balken war jede Menge Felsgestein gefolgt, und man sah, daß jeden Moment

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