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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sah ich ein zweites Monster. Dieses war als stämmiger grauhaariger Mann von etwa 55 Jahren getarnt, aber auch in ihm erkannte ich mühelos den Feind.
    Ich glaube, daß das, was ich sehe, nicht der physische Troll als solcher ist. Sein menschlicher Körper ist durchaus real. Was ich wahrnehmen kann, ist vermutlich entweder der Geist dieses Wesens oder aber das biologische Potential seines verwandlungsfähigen Fleisches.
    Um Viertel nach drei sah ich zwei weitere Unholde. Nach außen hin waren sie zwei attraktive Teenager, schüchterne junge Mädchen aus der Kleinstadt, für die dieser Rummelplatzbummel ein Abstecher in die große, weite Welt war. Doch in ihrem Innern hausten Ungeheuer mit wabbeligen rosa Schnauzen.
    Gegen vier waren vierzig Trolle am ›Lukas‹ vorbeigekommen, und einige waren sogar stehengeblieben, um ihre Kraft zu testen. Um diese Zeit war meine gute Laune längst dahin. Auf dem Vergnügungsgelände tummelten sich höchstens sechs- bis achttausend Besucher. Der Prozentsatz an Monstern war demnach überdurchschnittlich hoch.
    Etwas Besonderes mußte im Gange sein. Auf dem Rummelplatz der Sombra Brothers würde an diesem Nachmittag etwas passieren, denn diese ungewöhnliche Ansammlung von Trollen hatte nur einen einzigen Zweck: Sie wollten aus nächster Nähe menschliches Leid miterleben. Als Spezies schienen sie unseren Schmerz nicht nur zu genießen, sondern sich geradezu davon zu verköstigen, so als wären unsere Qualen ihre wichtigste — oder einzige — Nahrung. Ich hatte sie in größeren Gruppen nur an Schauplätzen von Tragödien gesehen: anläßlich der Beerdigung von vier High-School-Footballspielern, die vor einigen Jahren in meiner Heimatstadt bei einem Busunfall ums Leben gekommen waren; bei einer schrecklichen Massenkarambolage in Colorado; bei einem Brand in Chicago. Und je mehr Trolle ich nun auf dem Rummelplatz sah, desto mehr fröstelte ich trotz der Augusthitze.
    Ich wurde so nervös, daß ich ernsthaft in Erwägung zog, wenigstens einen oder zwei mit meinem Messer zu erstechen und dann um mein Leben zu rennen. Doch bevor ich diesen absurden Plan in die Tat umsetzen konnte, begriff ich zum Glück, was geschehen sein mußte. Sie waren hergekommen, um einen Unfall im Autoskooter zu sehen. Sie rechneten mit einem verstümmelten oder toten Fahrer. Natürlich! So mußte es sein. Der Troll, den ich in der vergangenen Nacht überrascht und getötet hatte, sollte einen ›Unfall‹ inszenieren. Und als ich jetzt darüber nachdachte, wurde mir auch klar, was er vorgehabt hatte, denn er hatte sich an der Stromzuführung zum Motor zu schaffen gemacht. Indem ich ihn umbrachte, hatte ich unwissentlich irgendeinen armen Besucher vor einem wahrscheinlich tödlichen Stromschlag bewahrt.
    Offenbar hatten die Trolle unter ihresgleichen die Kunde verbreitet: Tod, Schmerzen, schreckliche Verstümmelung und Massenhysterie — morgen auf dem Rummelplatz! Versäumt diese grandiose Show nicht! Bringt Frau und Kinder mit! Blut und brennendes Fleisch! Beste Unterhaltung für die ganze Familie! Und viele waren aufgrund dieser Ankündigung hergekommen, aber der versprochene Hochgenuß menschlichen Leidens war ausgeblieben, und deshalb wanderten sie jetzt enttäuscht umher und versuchten festzustellen, was geschehen war. Vielleicht suchten sie sogar nach dem Troll, den ich ermordet hatte.
    Zwischen vier und fünf besserte sich meine Laune zusehens wieder, denn ich sah keine Monster mehr. Als ich dann abgelöst wurde, verbrachte ich die erste halbe Stunde meiner Freizeit damit, in der Menge nach dem Feind Ausschau zu halten, aber alle Trolle schienen frustriert nach Hause gegangen zu sein.
    Ich begab mich zu Sam Trizers Stehimbiß, und nachdem ich etwas gegessen hatte, fühlte ich mich viel besser. Ich pfiff sogar vor mich hin, während ich zu den Verwaltungswohnwagen schlenderte, um mich zu erkundigen, wo man mich untergebracht hatte. Beim Karussell traf ich Jelly Jordan.
    »Na, wie geht's?« rief er laut, um die Musik zu übertönen.
    »Großartig.«
    Wir stellten uns neben die Kartenbude, um dem Gedränge und Geschiebe zu entgehen.
    Er aß einen mit Schokoladencreme gefüllten Krapfen, leckte sich die Lippen und stellte fest: »Rya hat dir offenbar kein Ohr und keinen Finger abgebissen.«
    »Sie ist nett«, sagte ich.
    Er hob die Augenbrauen.
    »Doch, das ist sie«, beharrte ich. »Vielleicht ein bißchen barsch und zweifellos sehr freimütig. Aber unter dieser rauhen Schale verbirgt sich ein

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