Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
geholfen, die Leiche zu beseitigen?«
    »Nun, zum einen ist das mein Hobby.«
    »Wovon redest du?«
    »Leichen loszuwerden, ist ein Hobby von mir«, erklärte er. »Manche Leute sammeln Briefmarken, andere bauen Modellflugzeuge, und ich beseitige Leichen, wo immer ich sie finde.«
    Ich schüttelte bestürzt den Kopf.
    »Und zum anderen«, fuhr er fort, »hängt es damit zusammen, daß ich ein sehr ordnungsliebender Mensch bin. Ich kann Abfälle nicht ertragen, und es gibt keinen schlimmeren Abfall als eine verwesende Leiche. Besonders die Leiche eines Trolls. Deshalb räume ich sie weg, sobald ich eine finde, und...«
    »Es ist kein Scherz!« rief ich, am Ende meiner Geduld.
    Er zwinkerte mit allen drei Augen. »Nun, entweder ist es ein Scherz, oder aber du bist ein sehr kranker junger Mann, Carl Slim. Ich hatte dich bisher gern, viel zu gern, um glauben zu wollen, daß du verrückt bist. Deshalb halte ich es lieber für einen Scherz, wenn es dir recht ist.«
    Ich wandte mich von ihm ab und entfernte mich.
    Verdammt, welches Spiel spielte er nur?
     
    Die Gewitter hatten der Luft den größten Teil der Feuchtigkeit entzogen, und trotz des blauen Himmels kehrte die schwüle Augusthitze nicht zurück. Es war ein warmer, trockener Tag, und von den Bergen, die das Jahrmarktgelände umgaben, brachte eine leichte klare Brise die Düfte des Waldes. Als um zwölf die Tore geöffnet wurden, strömten die Besucher in großen Scharen herbei, womit wir erst am Wochenende gerechnet hatten.
    Der Rummelplatz, ein fantastischer Webstuhl, stellte mit Hilfe exotischer Bilder, Gerüche und Klänge einen schillernden Stoff her, der die Besucher in seinen Bann zog, und auch wir Schausteller hüllten uns nach zwei Tagen Regen und nach dem Tod unseres ›Flickschneiders‹ mit Wonne in dieses vertraute Gewebe. Die Klangfäden setzten sich zusammen aus Leierkastenmusik, Schlagern, dem Dröhnen des Motorrads auf der ›hölzernen Todeswand‹, dem Rattern und Kreischen und Quietschen der Fahrgeschäfte, dröhnenden Dieselmotoren, dem Gebrüll der Ausrufer, aus Gelächter von Männern und Frauen, aus Kreischen und Jauchzen von Kindern. Starke Geruchsfäden glitten durch das Weberschiffchen: heißes Fett von den Imbißständen, frisch geröstetes Popcorn, gebrannte Mandeln, Dieseltreibstoff, Sägemehl, Zuckerwatte, geschmolzenes Karamel. Doch erst die unzähligen schillernden Farben der kaleidoskopartigen Bilder verliehen dem Gewebe aus Klang und Gerüchen die Einmaligkeit des fertigen Stoffes: der blanke glänzende Stahl der eiförmigen Kapseln des Sturzbombers, die vom Sonnenlicht mit einem dünnen Silberfilm versehen wurden; die umherwirbelnden roten Gondeln des ›Tip Top‹; die funkelnden Spangen, schimmernden Perlen und glitzernden Pailletten auf den Kostümen der Tänzerinnen, die auf den Plattformen nur eine kleine Kostprobe der im Zelt gebotenen Attraktionen gaben; die roten, blauen, orangefarbenen, gelben, weißen und grünen Wimpel, die in der Brise flatterten wie Tausende von Papageienflügeln; das riesige lachende Gesicht des Clowns mit der gelben Nase am Lachkabinett; die glänzenden Messingstangen des Karussells. Aus diesem unverwechselbaren Stoff entstand ein Zaubermantel mit vielen geheimnisvollen Taschen, von auffallendem Schnitt und Design; wenn man in dieses Gewand schlüpfte, fühlte man sich unsterblich, und alle Sorgen der realen Welt fielen von einem ab.
    Doch im Gegensatz zu den Besuchern und vielen Schaustellern konnte ich meine Probleme an jenem Mittwoch auch auf dem Rummelplatz nicht vergessen, denn ich wartete ständig auf das Auftauchen der ersten Trolle. Doch der Nachmittag ging in den Abend über, und der Abend machte der Nacht Platz, und kein einziger Dämon ließ sich blicken. Ich war über ihre Abwesenheit weder erleichtert noch erfreut. Yontsdown war ein Nest von Trollen, eine Brutstätte, und eigentlich hätte man sie hier viel zahlreicher sehen müssen als anderswo. Ich wußte, warum sie weggeblieben waren. Sie warteten auf das richtige Vergnügen irgendwann in den nächsten Tagen. An diesem Mittwoch stand keine Tragödie auf dem Programm, kein Festmahl aus Blut und Tod, und deshalb warteten sie bis morgen oder übermorgen. Dann würden sie in Scharen kommen und sich vorzugsweise in der Nähe des Riesenrads tummeln. Wenn es nach ihnen ging, würde das Rad wahrscheinlich durch ein ›technisches Versagen‹ entweder umstürzen oder in sich zusammenbrechen, und erst wenn dieses Ereignis auf der Tagesordnung

Weitere Kostenlose Bücher