Zwielicht
er je wollte. Er hat alles und ich bekomme nichts , dachte er bitter. Nicht den Mond, den er sich schon so lange wünschte, keinen Reichtum, nicht einmal einen florierenden Betrieb. Selbst die winzige Chance, die er bei Laren gehabt haben mochte, hatte er vertan.
Aber das, beschloss Quark, würde er jetzt ändern.
Kapitel 47
Vaughn nahm einen letzten Schluck Wasser, schloss den Behälter und stellte ihn zur Seite. Dann erhob er sich, rollte seine Matte mit der Decke zusammen und schnallte sie sich auf den Rücken. Beide Wasserkanister über die Schultern geschwungen, setzte er seinen Weg fort.
Oberhalb des Felsvorsprungs, unter dem er Rast gemacht hatte, führte eine Straße nach rechts und links. Vaughn hatte sie vor Stunden außerhalb der Stadt gefunden. Sie war etwa ein Dutzend Meter breit und zog sich relativ geradlinig durch die Landschaft, auf den Gebäudekomplex mit der Impulsquelle zu. Er folgte ihrem Verlauf, blieb aber auf dem weicheren Boden neben der Straße.
Nun wandte er sich nach links. Bis zum Gipfel der Erhebung war es noch ein Kilometer. Er zog den Trikorder hervor und scannte die Umgebung. Je näher er der Quelle kam, desto schlechter arbeiteten die Sensoren. Dennoch bestand kein Zweifel daran, dass er in die richtige Richtung ging. Zufrieden steckte er das Gerät weg.
Seit seiner Begegnung mit Captain Harriman hatte er sich den Kopf zerbrochen, um Erklärungen zu finden, war aber wiederholt in Erinnerungen an die alten gemeinsamen Tage abgedriftet. Normalerweise fiel ihm die Konzentration nicht schwer, nun musste er sich dazu zwingen.
Dabei war die Sache ganz einfach: Entweder war das in der Stadt wirklich Harriman gewesen oder eben nicht. Wenn ja, warum und wie hatte es ihn hierher verschlagen? Weshalb war er so jung?
Warum hatte er auf Vaughns Rufe nicht reagiert? Und welche Bedeutung hatte die Begegnung für die eigentliche Mission?
Sollte es sich nicht um Harriman gehandelt haben – was bedeutend wahrscheinlicher war –, wer oder was war es dann? War es real oder nur ein Hirngespinst gewesen? Wie und von wem war es realisiert worden? Und abermals: Was bedeutete es für Vaughns eigentliche Mission?
Am meisten irritierte ihn die Übereinstimmung zwischen dem, was er gesehen zu haben glaubte, und den Angaben seines Trikorders. Falls das nicht Harriman oder wenigstens ein männlicher Mensch gewesen sein sollte, hatte es auch das Gerät hinters Licht ge-führt – oder Vaughns Fähigkeit, dessen Anzeigen zu lesen, beeinträchtigt. Der Trikorder und sein Verstand waren momentan seine größten Stützen – und an beiden begann er, zu zweifeln.
Während Vaughn den Hügel bestieg, musste er wieder an die bri-santen Tage denken, die er mit Harriman verbracht hatte. War das wirklich schon fünfundsechzig Jahre her? Voller Schrecken entsann er sich der Katastrophe auf der Ad Astra , durch die Existenzen und Hoffnungen zerstört worden waren. Er erinnerte sich, dass er diesen Schaden hatte eindämmen und einen nicht gewinnbaren Krieg hatte verhindern sollen … und dass sein Erfolg einen Preis gehabt hatte.
Damals war Vaughn jung gewesen, in den Dreißigern. Und naiv.
Nein, nicht naiv , verbesserte er sich, denn der Begriff war negativ konnotiert. Unschuldig. Damals hatte er geglaubt, das Böse bekämpfen zu können. An den Preis dafür hatte er keinen Gedanken verschwendet.
Nun, allein auf einem toten Planeten, schüttelte Vaughn den Kopf, lachte gar. Seit Jahrzehnten hatte er nicht mehr an die Tamed gedacht, doch in den vergangenen Stunden kam sie ihm immer wieder in den Sinn. Es war lange her, und dennoch riss die Erinnerung ihn mit, als sei kein Tag vergangen. Der Vaughn der Gegenwart wusste, dass er die Trauer jener Tage – die Sorgen, die der Kampf in den Schatten mit sich brachte – auf ewig mit sich herumtragen würde.
Unter dem grauen Himmel stieg er weiter den Hang hinauf. Steine knirschten unter seinen Sohlen und boten einen scharfen Kontrast zu dem Summen, das in der Luft hing wie das akustische Äquivalent eines Nebels. Je näher Vaughn dem Gipfel kam, desto deutlicher konnte er eine Form in der Ferne ausmachen. Adrenalin ström-te durch seinen Körper, und er ballte die Fäuste. Sollte das schon das Ziel sein? Blieben ihm tatsächlich anderthalb Tage zur Erfüllung seiner Aufgabe, zur Rettung der Vahni?
Doch was er sah, blieb ein einzelnes Gebäude. Eine Art dunkler Turm stieg aus der Mitte der Straße empor, etwa einen Kilometer voraus. Er schien so hoch zu sein, wie
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