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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David R. George III
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fiel ihr unendlich schwer. »Das Außenteam kehrte nie zurück. Vaughn kannte das Risiko und entschied sich trotzdem dafür, sie fortzuschicken.«
    »War das falsch?«
    Die Frage verblüffte sie. War es falsch gewesen? Die Entscheidung hatte zum Tod ihrer Mutter geführt. Wie konnte sie nicht falsch sein?
    »Sind Sie wütend auf Ihren Vater, weil Sie bei Torona IV fast durch die Jarada umkamen?«, fuhr Shar fort.
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete sie prompt. »Das war nicht seine Schuld.«
    »Er befahl uns, keine Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen«, warf er ein.
    »Weil wir sonst hunderttausend Europani in Gefahr gebracht hätten. Die Jarada hätten den Konvoi angegriffen.«
    »Ganz genau«, bekräftigte Shar. »Vielleicht gab es auch einen guten Grund für den Befehl, den er Ihrer Mutter und dem Außenteam gab.«
    Nein , dachte Prynn. Kein Grund konnte den Tod ihrer Mutter rechtfertigen. Doch dann hörte sie sich sagen: »Ich weiß es nicht.«
    Und sie erkannte, dass sie es nie gewusst hatte. Vaughn hatte nie über seine Motive gesprochen, sondern die Verantwortung stumm übernommen – und sie hatte ihn nicht daran gehindert. »Ich weiß es nicht«, wiederholte sie kräftiger. Zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sie sich, ob Vaughns Schuld einem falschen oder einem richtigen Befehl entstammte.
    Doch sie war zu erschöpft, dies nun weiter zu erkunden. »Gute Nacht, Shar.«
    »Gute Nacht«, erwiderte er, und sie war dankbar darüber, dass er das Thema so bereitwillig fallen ließ.
    Prynn war siebzehn, als es passierte, und es hatte ihre ganze Welt zerstört. Sie waren nicht nur Mutter und Tochter gewesen, sondern beste Freundinnen. Sie erinnerte sich an den Moment, als Vaughn ihr die Kunde überbrachte … An die furchtbaren Worte, den Ausdruck des Schmerzes und der Schuld in seinem Gesicht. An ihre Tränen, die flossen, als wollten sie niemals versiegen …
    Die richtige Entscheidung? Das war lächerlich. Oder? Angenommen, ihr Vater wäre erneut in der damaligen Situation – würde er den Befehl wiederholen? Prynn hatte ihn nie gefragt, es nicht einmal in Erwägung gezogen. Vor sieben Jahren hatte es ohnehin keine Gelegenheit dazu gegeben. Mutter war gestorben, und Vater … Ihr Vater war eine Weile bei ihr geblieben, ohne dass sie ihm je nahekom-men konnte. Seine Schuldgefühle und ihre Wut waren zu große Hindernisse gewesen. Er hatte sie informiert – und danach sprachen sie nie wieder wirklich miteinander, abgesehen von den Momenten der Verurteilung ihrerseits und der qualvollen Entschuldigungen seinerseits. Vaughn hatte sie verlassen …
    Verlassen?
    Abermals kam ihr sein Aufbruch aus dem Lager in den Sinn, ein Bild, das sie seit anderthalb Tagen verfolgte. Hasse ich ihn, weil er für Moms Tod verantwortlich ist, oder weil er nicht wirklich da war, um mir durch die furchtbare Zeit danach zu helfen? Sie hatte sich diese spezielle Frage nie gestellt, so sicher war sie sich stets der Antwort gewesen.
    Sieben Jahre lang. Bis heute. Bis jetzt.
    Ob ihr Vater die Antwort kannte? Prynn entschloss sich, mit ihm darüber zu sprechen.
    Falls ich ihn jemals wiedersehe.
    Mit einem Mal überkamen sie Trauer und Einsamkeit. Noch als sie einschlief, galten ihre Gedanken einzig dem Vater, den sie so sehr vermisste.

    Kapitel 54
    Kasidy schlenderte über eine der Kopfsteinpflastergassen, die von der örtlichen Transportereinrichtung weg führten. Der Abend war so angenehm wie der Tag und eine willkommene Abwechslung der vergangenen ersten Wintertage. Noch vor einer Woche hatte sie aus ihrem Fenster hinaus auf eine schneebedeckte Landschaft geblickt, und die Wetterspezialisten sagten im bajoranischen Komm-Netz bereits weitere Winterstürme für die kommenden Tage voraus. Ein Grund mehr, die Gelegenheit zum Tapetenwechsel zu nutzen und sich frische Luft um die Nase wehen zu lassen.
    Das gelbliche Licht der am Straßenrand hängenden Öllampen tanzte über das Pflaster. Es war spät geworden, die Geschäfte würden bald schließen, doch das kümmerte Kasidy nicht. Sie brauchte einen entspannenden Spaziergang, ohne Eile. Die Läden, die bereits schlossen, würde sie sich eben ein andermal ansehen.
    Aber das ist nur die halbe Wahrheit, Kas , nahm sie sich selbst ins Gebet. Seit einer Woche dachte sie bereits über diesen Ausflug in den Ort nach, seit Prylar Eivos’ Besuch. Die Wärme dieses Mannes, seine freundliche Art und aufrichtige Anteilnahme hatten sie daran erinnert, wie gut Ben immer von den Bajoranern gesprochen

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