Zwielicht
hatte. Bevor sie die Gattin des Abgesandten wurde, hatte Kas mit dem hiesigen Handelsministerium gearbeitet und selbst viele nette Personen kennengelernt, doch nur wenige hatten in ihr die Achtung erweckt, die Ben dem gesamten Volk entgegenbrachte. Kasidy verbrachte die Zeit ihrer Schwangerschaft auf Bajor, weil Ben und sie es so geplant hatten. Also konnte sie auch versuchen, die Bajoraner mit seinen Augen zu sehen. Nein, sie war wirklich nicht zufällig zu so später Stunde hier in Adarak. Sie kam erst jetzt, weil es ihr trotz Eivos’
Herzlichkeit noch immer schwerfiel, mit ihrer eigenen Prominenz umzugehen.
Entsprechend angespannt näherte sie sich nun der Hauptge-schäftsstraße. Obwohl sie erst wenige Minuten in der Stadt war, hatte man sie bereits mehrfach erkannt, und sie befürchtete, trotz der Uhrzeit der unangebrachten Bewunderung Fremder ausgesetzt zu werden. Schon in der Transportereinrichtung hatte sie der junge Mann jenseits der Konsole großäugig angeglotzt, als sie von der Plattform trat. Derartige Aufmerksamkeit und Ehrerbietung waren ihr unangenehm, obwohl sie zugeben musste, dass sich der Mann schnell erholt hatte. Er hatte sie in Adarak willkommen geheißen und ihr angeboten, ihr jede Wegbeschreibung und Information zu geben, die sie benötigen mochte. Beides hatte Kas dankend abge-lehnt. Sie war nicht zum ersten Mal hier – wenn auch zum ersten Mal seit ihrem Umzug nach Bajor – und wusste, wohin sie wollte.
Die Straße ging rechtwinklig von der Gasse ab. Kasidy hielt an und blickte in beide Richtungen, in denen ebenfalls Öllampen an langen Stäben hingen und hohe Bäume den Weg säumten. Flackerndes Licht fiel auf die Blätter und ließ sie wirken, als schwankten sie im Wind. Einem willkürlichen Impuls folgend, wandte sich Kasidy nach links.
Die ersten Läden auf ihrem Weg hatten bereits geschlossen, doch die Fassaden waren beleuchtet. Kasidy sah nur beiläufig auf die feil-gebotenen Waren. Zum Schaufensterbummel war auf dem Rückweg noch genug Zeit. Sobald sie ein geöffnetes Geschäft fand, hielt sie an. Im Fenster standen zwei Gemälde auf Staffeleien, und dazwischen einige interessante Büsten und kleine Statuen.
Während sie sie betrachtete, öffnete sich die Ladentür. Ein großer Bajoraner trat heraus, im Arm eine wuchtige Tasche, die vermutlich seine Einkäufe enthielt. Der Mann hielt inne, um einer ihm folgenden Dame die Tür aufzuhalten, und sah zu Kasidy. »Schöner Abend, nicht?«, fragte er lächelnd. Zu ihrer Überraschung schien er sie nicht zu erkennen.
Bist wohl doch nicht so bekannt, wie du dachtest , tadelte sie sich scherzhaft. »Absolut«, antwortete sie.
Seine ebenfalls bajoranische Begleiterin nickte ihr grüßend zu –
und riss abrupt die Augen auf. »Verzeihen Sie«, murmelte sie dann, sah schnell wieder weg und schien sich ihrer Reaktion zu schämen.
Sie nahm den Mann am Arm und drängte ihn weiter.
Das trifft’s schon eher. Kasidy kicherte. Noch als sie den Laden betrat, wunderte sie sich über die Reaktionen, die ihre Anwesenheit auslösen konnte. Doch die Anspannung von vorhin war fort. Die Dame hatte sich ihrer Verblüffung geschämt. Konnte es sein, dass sich die Einheimischen nach all den Spontanbesuchen an Kasidys Haustür dazu entschieden hatten, sie fortan nicht nur vor derartigen gutgemeinten Belästigungen zu beschützen, sondern ebenfalls alles Erdenkliche zu tun, um ihr nicht zur Last zu fallen?
Die Wände des Geschäfts waren mit Bildern bedeckt, und auf kleinen Tischen standen zahlreiche Skulpturen. »Du bist aber noch spät auf den Beinen, Liebchen«, erklang eine laute, freundliche Stimme.
Kasidy sah sich um und fand eine alte, kompakt aussehende Bajoranerin am anderen Ende des Ladens, die ihr zuwinkte.
»Der Abend ist wie geschaffen dafür, nicht wahr?« Langsam nä-
herte sie sich einem der Tische. Zwei Statuen standen darauf, beide etwa einen halben Meter groß.
»Das ist er, Liebchen, das ist er«, stimmte die Frau zu. »‘s wird ein kalter Winter, von daher bin ich für jeden dieser Tage dankbar.«
»Geht mir genauso«, sagte Kasidy, amüsiert von der geselligen Natur der Fremden. »Ist dies Ihre Galerie?«
»Ist sie.« Die Alte nickte.
Eine der Statuen stellte eine in Roben gewandete Bajoranerin dar, die die Hände im Schoß gefaltet hatte. Die andere zeigte einen Mann, der sich vorbeugte und etwas zu ziehen schien, das man nicht sah. Seile hingen ihm über die Schultern. Kasidy betrachtete die Arbeiten.
Sie wirkten
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