Zwielicht
genetisch erzeugte Jem’Hadar war buchstäblich für die Schlacht gemacht. »Wenn nötig, kann es zu Rangabstufungen kommen.«
Nachdenklich sah sie zurück auf ihre Konsole und betätigte eine Taste. Der Computer piepte, und die Anzeige erlosch. Dann erhob sie sich und trat um ihren Tisch herum. »Unter diesen Umständen werde ich Sie wohl zum Zweiten degradieren müssen«, sagte sie.
Die Jem’Hadar verwendeten eine einfache Nummerierung, um ihre Ränge zu unterscheiden, und obwohl Kira Taran’atar niemals darauf angesprochen hatte, war sie stets davon ausgegangen, dass er ein Erster war. Sein langes Leben und sein Status als Ehrwürdiger Älterer deuteten darauf hin. Mit zweiundzwanzig war er, gemessen an der Lebenserwartung seines Volkes, uralt.
Ihre Bemerkung über seine Degradierung war ein Scherz gewesen, doch Taran’atar lächelte nicht. Kira hatte ihn noch nie lächeln sehen.
Besaß er überhaupt die Fähigkeit dazu? Vielleicht fehlte es den Jem’Hadar an der nötigen Muskulatur. Neugierig betrachtete sie sein Gesicht, sah die raue Beschaffenheit seiner Haut, die Knochenwülste, die wie Hörner aus seiner Stirn und rund um seinen Kopf austraten und sein gesamtes Antlitz umrahmten. Nein, in einem solchen Gesicht konnte sie sich kein Lächeln vorstellen, und der Gedanke machte sie traurig. Selbst in den Schrecken der Besatzungszeit hatte es gelegentliches Lachen gegeben, Humor und Freude, kleine Siege des Lebens, der Liebe und der Freundschaft.
Da Taran’atar schwieg, kehrte sie zum eigentlichen Thema ihrer Unterhaltung zurück: Sie wollte ihm für die nächsten zehn Tage die Nutzung der Holosuiten untersagen.
»Aber ich bin ausreichend geheilt!«, protestierte er.
»Das mag sein«, räumte sie ein. »Doch Dr. Tarses glaubt, das Risiko einer erneuten Verletzung ist jetzt größer als beispielsweise schon in einer Woche.« Während sie sprach, entschied sich Kira, das Ulti-matum von zehn auf sieben Tage herunterzukürzen, als Kompro-missversuch zwischen dem Arzt und dem Soldaten.
»Ich bin ein Jem’Hadar«, sagte er. »Ich bin für die Schlacht bestimmt. Findet keine statt, bereite ich mich auf die nächste vor.«
Kira sah ihn an und empfand etwas, das sie selbst überraschte: Mitleid. Taran’atar war bereits eine ganze Weile auf der Station, doch ganz offensichtlich immer noch nicht angekommen. Wie sie sich wohl fühlen würde, wenn man sie dazu zwänge, in einer derart fremdartigen Umgebung zu leben und nicht die Dinge tun zu können, die sie als normal und notwendig erachtete? Plötzlich begriff sie, dass sie sich diese Frage recht gut beantworten konnte: wegen der religiösen Bestrafung.
Aber sie war nicht bereit, Taran’atars Gesundheit aufs Spiel zu setzen, indem sie ihm vorzeitig das Kämpfen erlaubte, selbst wenn es nur eine Simulation war. »Sie dürfen Ihre Programme ruhig abspie-len, solange sie nur beobachten und nicht daran teilnehmen«, be-mühte sie sich um einen Mittelweg. »Würde Ihnen das bei der Vorbereitung helfen?« Sie trat wieder hinter ihren Tisch und nahm Platz.
»Mentale Vorbereitung ist unerlässlich«, antwortete Taran’atar.
»Aber für diesen Zweck habe ich andere Programme.«
»Dann tut es mir leid«, gestand sie und schaltete ihre Konsole wieder ein, um ihm damit zu signalisieren, dass die Unterhaltung ihrer Ansicht nach ihr Ende gefunden hatte. Der Computer piepte, und das Bild des Kurses der Mission im Gamma-Quadranten kehrte zu-rück.
Taran’atar rührte sich nicht. »Sonst noch etwas?«, fragte sie und sah zu ihm hoch.
»Ich habe Interesse daran, Sie in der Schlacht zu beobachten.«
»Meinen Sie uns Bajoraner?«
»Nein, ich meine Sie, Colonel«, antwortete Taran’atar. »Ich kann eine neue Simulation für Sie programmieren.«
Normalerweise verwendete Kira die Holosuiten nicht, denn sie zog reale Konfrontationen den virtuellen vor. In der Vergangenheit hatte Jadzia sie mitunter zum Mitkommen überredet, und mit Odo war sie gelegentlich bei Vic gewesen, doch davon abgesehen machte sie einen Bogen darum. »Ich denke nicht«, sagte sie dementsprechend.
Er nickte wissend, wandte sich um und ging zur Tür.
»Warten Sie«, rief sie ihm nach, woraufhin er sich sofort wieder zu ihr drehte. Je länger sie ihn ansah, desto mehr identifizierte sie sich mit diesem Wesen, dem es versagt war, die für es alltäglichsten Dinge zu tun. Und sie begriff, warum Odo Taran’atar wirklich herge-schickt hatte: nicht nur, damit der Jem’Hadar mehr über das Leben im
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