Zwielicht
keine dieser Optionen hätte geholfen. Charivretha wusste, dass ihre Pläne niemals zu Thirishars Rückkehr nach Andor führen würden. Ihr junger Chei war stur und willensstark. Ihr letztes Gespräch hatte ihr bewiesen, dass er eher seinen Abschied von der Sternenflotte nehmen würde, als nach Hause zu kommen. Deshalb musste sie einen anderen Weg einschlagen.
»Ihr Planet ist wunderschön, genau wie diese Stadt«, sagte sie. Diplomatischer Instinkt führte das Gespräch fort, während ihr Geist andere Probleme wälzte.
»Danke, das finde ich auch«, sagte Asarem. »Ich war nie auf Andor, habe allerdings interessante Dinge über Ihre Welt gehört. Wie ist es dort?«
Ich bin hier nicht die einzige Politikerin, erinnerte sich Charivretha und lenkte ihre Gedanken automatisch in die Bahnen, die sie brauchte, um Asarems Neugierde abzuwehren. Bevor sie antworten konnte, öffneten sich allerdings die Glastüren, die hinaus auf den Balkon führten, und die grünen, mit Mustern verzierten Vorhänge auf der Glasinnenseite schwankten sanft. Premierminister Shakaar und Admiral Akaar traten ins Freie. Hinter ihnen sah sie das improvisierte Kommunikationszentrum, zu dem der Raum geworden war
– besser gesagt, sah sie es hinter Shakaar. Die Größe des Admirals machte es schier unmöglich, hinter ihn zu blicken.
Wie Asarem und Charivretha war auch Shakaar formeller gekleidet – olivfarbene Jacke mit passender Hose, dazu ein rotbraunes Hemd – als bei ihren Treffen während der vergangenen drei Wochen. Bei Charivrethas und Akaars Ankunft hatte das Protokoll von ihnen allen zeremonielle Kleidung verlangt, aber je länger die Tage ihres inoffiziellen und ohne Assistenten abgehaltenen Gipfeltreffens geworden waren, desto lässiger hatten sie sich angezogen. Bis auf Akaar. Typisch Sternenflotte , dachte Charivretha. Freiwillig geben die ihre Uniformen nicht her. Zumindest während ihrer Besprechungen hatte der Admiral auf seine Galauniform verzichtet und stattdessen die normale getragen. Nun aber präsentierte er sich wieder in vollem Ornat.
»Sie haben begonnen«, verkündete Shakaar, und Charivretha und Asarem wandten sich zum Platz um. Seit sie am Vortag von den Leistungen des Ingenieurskorps erfahren hatten und wussten, dass Europa Nova wieder bewohnbar war, hatten die bajoranischen Offiziellen den Rücktransport der Europani koordiniert – eine Aktion, die, angeführt von Shakaars patenter Assistentin, hier in Brintall ihren Anfang nahm, wo eine in die Tausende gehende kleinere Flücht-lingsgruppe zu den ersten Heimkehrern zählen würde. Die Gruppe bestand aus Regierungsmitgliedern, Ärzten, Katastrophenhelfern und Gesetzesvertretern – allesamt unentbehrliche Personen. Später und während der kommenden Tage würde der Rest der drei Millionen folgen, die derzeit noch auf Bajor und Deep Space 9 verteilt waren.
Charivretha sah zu den vier Ecken des Platzes und dann an vier andere Stellen, die einen wunderschönen Brunnen in dessen Mitte umschlossen. Gespannte Seile unterteilten ihn in acht dreieckige Bereiche und gliederten so die Menge an Flüchtlingen, die darauf wartete auf die im Orbit bereitgestellten Schiffe gebeamt zu werden. Die Leute wirkten ein wenig angespannt – wie Charivrethas Antennen, die die von den einzelnen Personen ausgehende Hitze registrierten, ihr verrieten –, hielten sich aber ohne Murren an die Anweisungen der bajoranischen Ordnungshüter. Vermutlich wurde ihre Euphorie von dem Wissen über die Narben gedämpft, die ihre Welt aller Ret-tungsarbeiten zum Trotz von der Katastrophe behalten hatte. Die europanische Gesellschaft hatte überlebt. Nun aber sah sie Jahrzehnten des Wiederaufbaus entgegen.
Unter Charivrethas Blicken führte das bajoranische Militär die Flüchtlinge in die vorgesehenen Sektoren. Silberne dreibeinige Zylinder, die das Ratsmitglied als Musterverstärker erkannte, standen in den Ecken jedes Dreiecks, und ein Licht an ihrer Spitze wies sie als funktionstüchtig aus. Die Verstärker halfen beim Transport aus einer so überfüllten Umgebung.
Charivretha beobachtete, wie eine Gruppe Europani in weiß fun-kelndem Licht verschwand. Dann wandte sie sich an Shakaar. Hinter ihm drangen Stimmen aus dem Gebäude, von denen manche dem Klang nach Lautsprechern entsprangen. Die behelfsmäßige Komm-Zentrale diente der Abstimmung zwischen dem Bodenper-sonal und den Besatzungen der Schiffe. »Meinen Glückwunsch«, sagte das Ratsmitglied. »Der Abschluss dieser Operation ist eine
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