Zwielicht
»Wir schließen erst in ein paar Stunden, niemand spielt, niemand benutzt die Holosuiten, und nicht einmal Morn ist da.« Er linste zum anderen Ende des Tresens, wo seit über einem Jahrzehnt normalerweise sein bester Kunde saß. Doch der sonst so verlässliche Morn zog an diesem Abend sein Quartier der Bar vor. Er hatte zu einer Dichterlesung geladen und jeden auf DS9 dazu gebeten, der eine Komm-Konsole besaß.
»Außerdem habe ich nur sechs Kunden, von denen eine«, dabei sah Quark Ro mit gespielter Missbilligung an, »nur Pooncheenee trinkt.« Er griff nach dem kurzen, bläulich gefärbten Glas, das vor Ro stand. »Noch einen, Lieutenant?« Er selbst mochte das fruchtig-süße Gesöff nicht und nutzte es eigentlich nur für Cocktails, doch einige Bajoraner hatten Gefallen daran gefunden.
Ro dachte über die Frage nach, bis sich die Riffel auf ihrem Nasenrücken stärker runzelten. Dann fragte sie: »Was haben Sie sonst da?«
Quark drehte sich um und stellte das leere Glas an einen Platz, den er für gebrauchtes Geschirr reservierte und der ebenfalls bemitlei-denswert leer war. Später würde einer seiner Angestellten die Flaschen und Gläser mittels Replikator recyceln. Dann nahm er das Regal hinter dem Tresen in Augenschein – und die Flaschen, die sich in diversen Größen, Formen und Farben in ihm befanden. Was kann ich Laren geben? , fragte er sich. Etwas mit Geschmack, mit Charakter. Als er nichts Entsprechendes fand, prüfte er den Bestand unterhalb der Theke und zog schließlich eine bernsteinfarbene Flasche mit ge-schwungenem, spitz zulaufendem Hals hervor. »Saurianischer Brandy?«, fragte er und hielt Ro das Etikett entgegen.
»Klar«, antwortete sie. »Warum nicht?«
Abermals verschwand er hinter dem Tresen und brachte ein winziges Kristallglas zum Vorschein. Er stellte es vor ihr ab, entfernte die lederne Kappe und ließ sie an der Kordel baumeln, die am Flaschenhals befestigt war. »Captain Sisko kam selten her«, sagte er, während er eine zwei Finger breite Portion des Getränks ausschenk-te. »Aber dies war sein Lieblingsdrink. Ich hatte ihn immer vorrätig, für besondere Anlässe.«
»Anlässe?«, fragte Ro. Sie ließ ihre Hand unter die Wölbung des Glases gleiten, umfasste dessen Stiel mit Mittel- und Ringfinger, und hob den Brandy an ihre Lippen.
»Sternenflottenkonferenzen, politische Treffen, gelegentlich eine Party«, erklärte Quark. »Eins muss ich dem Mann lassen: Für einen Flottenfuzzi verstand er den Wert professionellen Caterings.«
»Hmmm, das ist köstlich«, sagte Ro, nachdem sie einen Schluck Brandy probiert hatte.
»Hatten Sie schon mal das Vergnügen?«, fragte Quark.
»Ja, aber das ist lange her.« Wieder hob sie das Glas zum Mund, nahm einen zweiten Schluck. Dann stellte sie es auf die Theke. »Also sind Sie kein Freund der ›Flottenfuzzis‹, was?«
»Na, Sie müssen schon zugeben, dass das nicht gerade Spaßkano-nen sind.« Er nahm den Deckel und steckte ihn zurück auf die Bran-dyflasche.
»Stimmt. Aber sie bewahren den Frieden.«
»Manchmal«, murmelte Quark mit unverhohlenem Zynismus in der Stimme. Er entsann sich der Zeit, als die Bajoraner alle Ferengi aus ihrem System und vom Wurmloch verbannten. Damals hatte die Föderation sich geweigert, einzugreifen. Das war Jahre her und die Erinnerung noch zu schmerzhaft, als dass er sich lange mit ihr beschäftigen konnte. Doch sie prägte sein Bild der Föderation und der Sternenflotte bis heute. »Zumindest, wenn es ihnen nützt.«
»Wissen Sie eigentlich«, sagte Ro, deren verschmitztes Lächeln zu-rückkehrte, »dass ich auch mal ein Flottenfuzzi war?«
»Oh, Sie waren vielleicht in der Sternenflotte«, erwiderte er mit einer abweisenden Handbewegung, »aber Sie waren sicherlich nie ein Flottenfuzzi.« Dann beugte er sich vor und stellte den saurianischen Brandy zurück unter die Theke.
Ro nahm einen weiteren Schluck. »Was verleitet Sie denn zu der Annahme?«
»Zum einen die Uniform des bajoranischen Militärs, die Sie anhaben. Ihr zufolge blieben Sie nicht in der Sternenflotte. Zum anderen
… Sehen Sie sich doch um!« Mit ausgestreckten Händen deutete er auf den Rest seiner Bar. »Sie sind hier, aber ich sehe keine Flottenfuzzis. Dabei dockt die Gryphon seit drei Tagen immer wieder an der Station an, wenn sie nicht gerade auf dem Weg zu oder von Europa Nova ist. Demnach laufen hier ein paar Hundert mehr von ihnen herum als sonst.« Er schüttelte den Kopf und rollte mit den Augen.
»Wahrscheinlich
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