Zwielicht
das erfrischend.« Er hielt inne, als suche er nach weiteren Wegen, seine Vorgesetzte zu beschreiben. Schließlich sagte er: »Leidenschaftlich. Sie kann schnell explodieren, aber sie scheint auch zu wissen, wie man das Leben genießt. Natürlich kenne ich sie erst kurz, aber … Hast du den Bericht über die Zeit gelesen, die sie angeblich in Bajors Vergangenheit verbrachte?«
»Ja«, antwortete Akaar.
»Ich glaube, dieses Erlebnis prägte sie nachhaltig«, fuhr er fort.
»Sie ist sehr jung für ihren Posten, insbesondere da sie weder eine Kommando- noch eine Militärausbildung genoss. Und trotzdem fühle ich mich privilegiert, unter ihr zu dienen. Es gibt einiges, was die Sternenflotte von Colonel Kira Nerys lernen könnte.«
Vaughns uneingeschränktes Lob überraschte Akaar. »Und wie steht’s mit ihrer Meinung über die Cardassianer?«
»Leidenschaftlich«, wiederholte Vaughn.
»Was soll das eigentlich heißen?«, wollte Akaar wissen.
Vaughn hob sein Glas Grosz und nahm einen großen Schluck. »Ich kenne sie nicht gut genug, um ihr Innenleben zu beurteilen, aber ich weiß, dass sie ein kompliziertes, schweres Leben hinter sich hat. Du weißt, was die Cardassianer ihrem Volk, ihrer Lebensweise, aber auch ihr und ihrer Familie ganz persönlich angetan haben. Die ersten sechsundzwanzig Jahre ihres Daseins verbrachte Kira ohne Freiheit, und sie kämpft seit acht Jahren dafür, dass sich das nicht wiederholt.« Nach einem weiteren Schluck stellte er das Getränk zu-rück. »Trotz alledem kämpfte sie während des Krieges für den cardassianischen Widerstand, und als sie auf Macet traf, war ihr erster Impuls, seine Hilfe anzunehmen. Seit Kriegsende unterstützt sie Cardassia.«
Akaar hörte aufmerksam zu. Er würde sich zwar selbst eine Meinung über Kira bilden, wusste Vaughns Ansichten aber zu schätzen.
Selbst wenn Vaughn falsch lag, erwiesen sich seine Situationsanaly-sen meist doch als wertvoll.
Während sie aßen, sprachen die beiden Männer über verschiedene Themen. Vaughn fragte nach Ratsmitglied zh’Thane, die sie beide kannten und die Akaar nach Bajor, Europa Nova und nun auch nach Deep Space 9 begleitet hatte. Akaar wiederum wollte Vaughns Sicht der desaströsen Ereignisse von Torona IV hören, seit denen die diplomatischen Beziehungen zwischen der Föderation und den Jarada zum Stillstand gekommen waren. Vaughn zeigte sich erfreut dar-
über, dass der Föderationsrat diesen Zustand für den Moment hin-nahm und es für zu komplex hielt, sich angesichts der aktuellen Lage auch noch mit dieser extrem xenophoben fremden Rasse zu befassen. Das Sternenflottenkommando teilte diese Ansicht. Die Admiralität betrachtete Torona IV zwar als strategisch wichtig, wie Akaar berichtete, bezweifelte aber, dass irgendeine andere Macht im Quadranten eine Allianz mit den schwierigen Jarada eingehen würde.
Der Nachmittag wurde zum Abend. Je weiter ihr Tischgespräch fortschritt, desto stärker nagte etwas an Akaar. Natürlich hätte er seinen Freund ohnehin besucht, doch kam er heute nicht allein der Freundschaft wegen. Und obwohl er sich angestrengt um sein normales, phlegmatisches Auftreten bemühte, konnte er nicht ausschließen, dass Vaughn seine Anspannung ein oder zwei Mal bemerkt hatte.
Nach dem Essen zogen sie sich in den Sitzbereich zurück, wo sie einander gegenübersitzend die Flasche leerten. »Heute lassen wir das Phasertraining besser ausfallen«, sagte Vaughn lächelnd.
»Ich glaube, du hast mich ohnehin betäubt«, erwiderte Akaar und hob sein Glas. Dann – wohl wissend, dass er es nicht länger aufschieben konnte – fragte er: »Wie geht’s Prynn?«
Vaughns Miene änderte sich nicht, und seine Antwort kam so prompt, dass Akaar förmlich spürte, wie sehr er das Thema erwartet haben musste. »Gut.«
»Ich habe ihre Akte studiert«, sagte Akaar. »Ihre Beurteilungen von der Mjolnir und der Sentinel sind ziemlich gut. Sie gilt als außergewöhnlich talentierter Steueroffizier.«
»›Ein wenig zu verbissen‹«, zitierte Vaughn aus dem Zeugnis, das ihr einer ihrer früheren Captains geschrieben hatte. Akaar war mit dem Text vertraut. »Aber sie ist jung«, fuhr der Commander achsel-zuckend fort.
»Und war nicht immer so«, ergänzte Akaar so sanft er konnte.
Vaughn beugte sich vor und stellte sein fast leeres Glas auf den niedrigen Tisch in der Mitte der Sitzgruppe. Dann stützte er die Ellbogen auf die Knie und sah seinen Freund an, als wisse er genau, in welche Pachtung die
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