Zwielicht
Hüfte vor, bis sein Kopf nur Zentimeter vom steinernen Boden entfernt war. Dann streckte er einen Tentakel aus und öffnete den Stoffbeutel, den er bei sich trug. Daraus zog er etwas, das wie ein faustgroßer Ball aus silbrigem Material aussah. Er richtete sich auf, trat zurück und präsentierte Vaughn das Objekt.
»Was ist das?«
»Etwas, das Sie an die Vahni Vahltupali erinnern soll« , antwortete Ventu.
Vaughn drehte den Gegenstand in seinen Händen. Strukturell schien er einem zerknüllten Stück Papier zu ähneln, und auf Vaughns Berührung hin veränderte sich seine Oberfläche, als sei sie mit einer dünnen Flüssigkeitsschicht überzogen.
Ventu schien Vaughns Verwirrung zu bemerken, ließ einen seiner Tentakel unter das silbrige Material gleiten und löste einen Streifen, der dem Commander noch gar nicht aufgefallen war, aus dem Gebilde. Sofort löste sich das gesamte Knäuel. Binnen weniger Sekunden hielt Vaughn ein flaches Ding von der Größe eines Datenpadds in Händen, auf dessen Oberfläche die holografische Darstellung der Stadt von ihrem höchsten Aussichtspunkt zu sehen war – dem Turm, auf dem er und Ventu standen. Nun begriff der Commander, warum sein Gastgeber darauf bestanden hatte, dass er diesen Ort noch vor seiner Abreise besuchte.
»Es ist wundervoll«, sagte er. Auf der Unterseite blieb das Gebilde flach und silbrig schimmernd. »Vielen Dank.«
»Neue Freundschaften sind wundervoll« , leuchtete Ventu. »Gern geschehen.«
Von links näherten sich Schritte. Vaughn knüllte das Bild zurück zu einem Ball – was kaum Anstrengung erforderte –, fand den Streifen und fixierte es erneut. Einen Moment später traten Bowers und Roness zu ihnen, gefolgt von ihrem Vahni-Begleiter. »Commander«, begann Bowers, nach dem Aufstieg ein wenig außer Atem, »Brestol zeigte uns soeben das hiesige naturhistorische Museum. Haben Sie es besucht?«
Vaughn betrachtete das Farbenspiel auf der Brust des Lieutenants, als könne er aus dem Leuchtmuster Rückschlüsse auf die Worte ziehen. »Nein, bedaure«, antwortete er und nickte in Brestols Richtung
– eine Geste, die keiner Übersetzung bedurfte, da dieser sie prompt erwiderte.
»Es ist wirklich erstaunlich, Sir«, fuhr Bowers fort. »Die Evoluti-onskette auf diesem Planeten … Ich bin kein Biologe, aber so etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Wir werden einen Nottransport veranlassen müssen, um Ensign T’rb da rauszubekommen«, scherzte Roness über einen der Wissen-schaftsoffiziere des Schiffes. Offensichtlich begriff sie erst danach, dass sie mit ihrem Kommandanten sprach. Schnell nahm sie Haltung an, hörte auf zu lächeln und ergänzte: »Sir.«
Vaughn schmunzelte. »Rühren, Ensign.«
»Ja, Sir. Danke, Sir.«
So jung , dachte er. Roness hatte sich als patenter Offizier erwiesen.
Sie besaß eine achtbare Arbeitsmoral und beachtliches Talent als Pilotin, doch ein wenig mehr Gelassenheit stünde ihr gut zu Gesicht, wie er fand. Wird schon , dachte er. Wenn nicht von selbst, dann wird der Umgang mit Lieutenant Bowers dafür sorgen. »Ich vermute, Sie beide sind auf dem Weg zurück auf die Defiant ?«
Wo Roness ein nüchternes, promptes »Ja, Sir« hören ließ, hegte Bowers offenkundig andere Absichten. »Um ehrlich zu sein, Sir, hoff-ten wir darauf, etwas länger bleiben zu können.«
Clever von ihm, persönlich vorstellig zu werden, anstatt via Komm-Kanal anzufragen , dachte Vaughn. Lass den Kommandanten wissen, dass du bereit bist, deinen Dienst zu erledigen, erweise ihm Respekt, indem du persönlich erscheinst, aber zeige ihm auch, wie wichtig dir dein Anliegen ist.
Vaughn sah zu Ventu und fragte nach Einwänden gegen einen längeren Aufenthalt der Besatzung. »Ihre Leute sind uns jederzeit willkommen« , lautete die übersetzte Antwort.
Danach wandte er sich wieder Bowers und Roness zu. »Sprechen Sie den Dienstplan mit Lieutenant Dax ab. Wenn sie Sie entbehren kann, dürfen Sie bleiben.« Etwas freundlicher fügte er hinzu: »Zumindest, diejenigen von Ihnen, die tatsächlich bleiben wollen.« Es war offensichtlich, dass beide mit dieser Bitte gekommen waren, der junge Ensign jedoch den Mut verloren hatte. »So oder so will ich aber jeden in zwei Stunden wieder an Bord wissen.« Der Aufbruch der Defiant von der Welt der Vahni sollte planmäßig in vier Stunden stattfinden.
Dax zufolge hatten einige Besatzungsmitglieder den Wunsch ge-
äußert, bei den Vahni bleiben zu dürfen – nicht nur für Stunden, sondern für Tage.
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