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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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MARIANA
     
     
     
     
     
    Mai 73 n. Chr.
     
    Welche Rolle spielt es, wieviel ein Mann in seinem Geldschrank oder seinen Scheunen hortet, wie groß seine Herde ist oder wie viele Zinsen sein Kapital abwirft, wenn er stets nach dem giert, was anderen gehört, und nur das zählt, was er noch nicht errungen hat, nie das, was ihm bereits gehört? Du fragst, was die angemessene Grenze für den Wohlstand eines Menschen sei? Erstens, das zu haben, was wesentlich ist, und zweitens, das zu haben, was genug ist.
    Seneca
     

XLI
    Drei Tage später saß ich morgens in einer Schenke in Hispalis. Jeder Muskel tat mir weh. Ich hatte Blasen an den unmöglichsten Stellen. Auch mein Hirn war erschöpft.
    In Hispalis war es wärmer als in Corduba. Mitte des Sommers würde es hier heißer sein als an vielen anderen Orten des Reiches. Und dieser Zeitpunkt lag näher, als ich zu denken wagte. Sehr bald würde das Kind geboren werden, das ich so unüberlegt gezeugt hatte. Es konnte passieren, während ich hier war. Womit ich all meine aufrichtigen Versprechungen Helena gegenüber gebrochen hätte. Das Baby mochte bereits ohne meine Anwesenheit zur Welt gekommen sein. Dann wäre ich ein der Verdammung preisgegebener Mann.
    Wie so einer fühlte ich mich bereits, als ich mein Hinterteil mit äußerster Vorsicht auf einer Bank in dieser ruhigen Schenke nahe des südwestlichen Stadttors plazierte, in die die Gerüche von den Kais hereinwehten. Die Stille paßte mir gut. Ungenießbares in einer leeren Taverne zu mir zu nehmen erinnerte mich an zu Hause. Einen Moment lang konnte ich mir einbilden, mir irgendwo auf der Kuppe des Aventin Bauchweh an schlaffem Salat zu holen. Ich war in Gedanken immer noch weit fort, als die Tamburinspieler eintrafen. Da sie mich augenblicklich als Fremden erkannten, schoben sie sich näher, um ihr Glück mit einer lärmenden Serenade zu versuchen. Ich wäre geflohen, aber meine steifen Glieder wollten sich nicht rühren.
    Jeder, der Rom kennt, hat gelernt, selbst die unter größter Lärmentwicklung vorgebrachten Betteleien zu ignorieren. Ich saß bereits mit dem Rücken zur Wand, um zu vermeiden, daß mir mein Geldbeutel von hinten geklaut wurde, und stellte mich jetzt vollkommen taub. Schließlich stieß jemand im Nachbarhaus krachend die Fensterläden auf und brüllte die Musikanten an, sich zu verpissen. Sie gingen ein paar Häuser weiter und blieben schnatternd stehen. Die Fensterläden knallten zu. Ich kaute weiter an meinem ziemlich zähen Salat.
    Hispalis galt als die drittwichtigste Stadt in Baetica, nach Corduba und Gades. Ich war von Osten her in die Stadt eingeritten, auf der Straße, die neben dem Aquädukt verläuft. Erschöpft hatte ich gestern abend das Stadttor passiert, war geradeaus die Hauptstraße hinuntergeritten und hatte ein modernes Bürgerforum mit Versammlungshaus, Gerichtsgebäude und Bädern gefunden – alles, was die Menschen brauchten, um sich in die Niederungen der örtlichen Politik und Gerichtsbarkeit zu begeben und sich hinterher den Gestank wieder abzuwaschen. Heute morgen war ich mit verklebten Augen und schlechtgelaunt aus der Herberge gekrochen und hatte bald das ursprüngliche republikanische Forum gefunden, das mit seinen älteren Tempeln eine gelassenere Atmosphäre ausstrahlte, jetzt aber zu klein war für diese aufstrebende Stadt. Weiter zum Fluß zu gab es einen dritten, sehr viel größeren Platz, wo es am lebhaftesten zuging und sich alles Geschäftsleben abspielte. Hier waren die Bäder viel größer als auf dem Forum, da mehr Geld für ihren Bau vorhanden war, und in den Portiken herrschte ein buntes Treiben. Geldwechsler hatten kurz nach Sonnenaufgang ihre Stände aufgebaut. Nicht lange danach waren die Händler, Kaufleute, Spediteure und andere Spekulanten eingetroffen. Ich hatte die Atmosphäre auf mich wirken lassen, bis ich mich zu Hause fühlte. Dann hatte ich diese etwas abgelegene Schenke gefunden. Bei meiner Wahl war ich allzu vertrauensvoll gewesen.
    Als weitere Straßenmusikanten in Sicht kamen, bezahlte ich die (erfreulich niedrige) Rechnung. Das restliche Brot und den geräucherten Schinken nahm ich mit und aß es im Gehen auf dem Weg zu dem vor der Stadt liegenden Fluß. Hier war der Baetis breit und den Gezeiten ausgesetzt. Vom Ufer aus führten Molen aus behauenem Stein ins Wasser, und es wimmelte von lärmenden Schiffsleuten und Trägern. Überall gab es Makler- oder Negotiatorenbüros. Fracht wurde von Lastkähnen auf seetüchtige Schiffe und

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