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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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ich erkannte. Bei der einen handelte es sich um den ältlichen Ölmagnaten Licinius Rufius, bei der anderen um seinen Enkelsohn Rufius Constans. Der junge Mann machte ein mürrisches Gesicht. Als er mich entdeckte, schien er sich fast zu ängstigen.
    Ich hörte, wie der Schreiber ihnen mitteilte, daß der Prokonsul heute nicht zu sprechen sei. Er nannte ihnen einen durchaus einleuchtenden Grund dafür, es war also kein bloßes Abwimmeln. Der alte Mann schaute irritiert, nahm es aber dann widerstrebend hin. Ich nickte Licinius einen höflichen Gruß zu, hatte aber wegen des anstrengenden Rittes, der vor mir lag, keine Zeit, mich länger aufzuhalten. Als ich auf die Straße nach Hispalis einbog, häuften sich die Fragen in meinem Kopf.
    Am rätselhaftesten war die Agentin, die Anacrites nach Baetica hatte schicken wollen. War sie die »gefährliche Frau«, von der er gemurmelt hatte? Aber wo war sie? Hatte er überhaupt die Möglichkeit gehabt, ihr die entsprechenden Anweisungen zu erteilen? War sie, nachdem Anacrites überfallen worden war, ohne weitere Instruktionen in Rom geblieben? Oder war sie hier? Vielleicht sogar aus eigenem Antrieb? (Unmöglich. Anacrites hatte nie jemanden mit so viel Grips eingestellt.)
    Ich mußte unbedingt die Identität der Agentin feststellen. Am Ende war sie vielleicht die Tänzerin, die ich verfolgte. Möglicherweise hatte ich völlig falsche Schlüsse über Selia gezogen. Sie mochte als Verstärkung für Anacrites und Valentinus bei dem Essen gewesen sein, hatte mit den Angriffen nichts zu tun und den Pfeil versehentlich bei einem Treffen mit den beiden auf der Straße verloren. Die Wunden der beiden Männer mochten eine ganz andere Ursache haben. Wenn dem so war, was tat sie jetzt in Corduba? Hatte sie sich bei der Parilia als Schäferin verkleidet, um mehr über das Kartell herauszufinden? Und hatte sie sich dann, als alte Frau verkleidet, an Licinius Rufius herangemacht? Arbeiteten sie und ich etwa die ganze Zeit an der gleichen Sache? Tja, aber wer hatte dann Valentinus und Anacrites überfallen?
    Andererseits bestand die Möglichkeit, daß Selia genauso gefährlich war, wie ich immer geglaubt hatte – und daß eine andere Frau für den Oberspion in Baetica unterwegs war. Eine, der ich noch nicht begegnet war. Sehr wahrscheinlich die Tänzerin, die Knallkopp für die Fete engagiert hatte. Irgendeine von Anacrites benutzte dusselige Schlampe, die jeden meiner Schritte verfolgte und mir bestimmt irgendwann im Weg stehen würde. Und das machte mich unheimlich wütend. Weil im Palast doch irgend jemand wissen mußte, daß wir beide uns hier in Baetica tummelten – was die Frage aufwarf, warum zum Hades das notwendig war? Warum mußte ich, wenn Helena mich am nötigsten brauchte, meine Zeit auf eine Sache verschwenden, die schon von jemand anderem abgedeckt wurde?
    Doch dann ließ ich diese Idee fallen. Der Palast brachte es zwar durchaus fertig, Agenten im dunklen zu lassen, aber unter Vespasian wurden keine Doppelzahlungen gebilligt, wenn es mit einem Einzelhonorar getan war. Das bedeutete, daß zwei verschiedene Abteilungen aktiv in die Sache verwickelt waren. Laeta hatte mich geschickt, ohne zu wissen, daß Anacrites bereits jemanden vor Ort hatte. Unsere Ziele mochten die gleichen sein – oder vollkommen verschiedene. Während ich mich auf Selia zubewegte, konnte jemand anderer mit widersprüchlichen Befehlen dasselbe tun. Und am Ende würde ich, wie ich schon seit jenem Essen auf dem Palatin vermutete, wieder mal derjenige sein, der zwischen alle Stühle geriet: das glücklose Opfer einer Palastintrige.
    Dagegen konnte ich momentan nichts unternehmen. In Rom nachzufragen würde viel zu lange dauern. Mir blieb nichts anderes übrig, als nach Hispalis zu reiten und mein Bestes zu tun. Aber ich mußte die ganze Zeit auf der Hut sein. Möglicherweise war bereits ein anderer Agent vorher dort gewesen, und all meine Bemühungen waren für die Katz. Jemand anderer konnte sich die Federn an den Hut stecken und die Belohnung einstreichen.
    Ich kam zu keinem Ergebnis. Selbst nachdem ich alle Fragen gewälzt hatte, bis sie mir zu den Ohren herauskamen, blieb nach wie vor eine übrig, eine neue Frage, auf die ich gerade eben in Corduba gestoßen war. Warum hatte Licinius Rufius mit dem Prokonsul sprechen wollen? Was hatte einen ältlichen Gutsbesitzer so früh am Morgen, mit seinem verdrießlichen Enkelsohn im Schlepptau, in die Stadt getrieben?

TEIL DREI
    HISPALIS, CORDUBA, MONTES

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