Zwielicht in Cordoba
war!«
»Genau«, versicherte ich meiner Geliebten.
Sie schloß mich fest in die Arme. Versehentlich entschlüpfte mir ein gewaltiger Rülpser. »Dann dachte ich, man hätte dir aufgelauert, und du lägest blutend in der Gosse.«
»Nur gut, daß das nicht passiert ist. Ich habe mich nämlich mit einer kostbaren Ladung erstklassigen Liquamens abgequält, das ich auf dem Fest für meine Geliebte abgestaubt hatte, deren Schwangerschaft ihr einen unstillbaren Appetit auf die teuerste aller Soßen beschert hat.«
»Mein unfehlbar guter Geschmack! Als Bestechung reicht das aus«, entschied sie. Immer fair.
»Es ist eine ganze Amphore voll.«
»Das ist die richtige Art, Reue zu zeigen!«
»Ich mußte mir zwei Sklaven ausborgen, um das Ding nach Hause zu kriegen.«
»Mein Held. Es ist also aus Baetica?«
»Laut Etikett stammt das Zeug aus Gades.«
»Du bist sicher, daß es kein billiges altes Muria ist?«
»Sehe ich aus wie ein zweitklassiger Thunfischverkäufer? Nur beste Makrelen, ehrlich.« Ich hatte das Garum nicht probiert, aber die Prahlerei schien ungefährlich. Aus der hervorragenden Qualität des gestrigen Essens konnte man schließen, daß die Würzsoße ausgezeichnet sein würde. »Mir wird also vergeben?«
»Daß du nicht weißt, wo du wohnst?« witzelte sie.
»Ja, ist mir äußerst peinlich.«
Helena Justina lächelte. »Ich fürchte, du hast noch mehr Peinlichkeiten vor dir. Verstehst du, Marcus, mein Liebling – ich war so besorgt über dein Ausbleiben, daß ich beim ersten Morgenlicht zu Petronius Longus gestürzt bin.« Petronius, mein bester Freund, neigte angesichts meiner Eskapaden durchaus zum Sarkasmus. Er arbeitete als Ermittlungsbeamter bei den Vigiles, der städtischen Wache. Helena gurrte: »Ich war verzweifelt, Marcus. Ich bestand darauf, daß er die Vigiles überall nach dir suchen läßt …«
Helena nahm die sittsame Pose eines Mädchens an, das vorhat, die Sache in vollen Zügen zu genießen. Sie wußte, daß ich dazu verdammt war, auf sehr öffentliche Weise zu leiden. Sie brauchte nichts weiter zu sagen. Jeder auf dem Aventin würde inzwischen wissen, daß ich letzte Nacht verschwunden war. Und egal welche Lügen ich über meine betrunkene Rückkehr erzählen mochte, die wahre Geschichte würde unweigerlich ans Licht kommen.
VI
Zum Glück war Petronius offenbar damit beschäftigt, echte Verbrecher zu jagen. Er hatte keine Zeit, um nach mir zu suchen.
Ich verbrachte den Morgen mit einfachen häuslichen Betätigungen. Wie schlafen. Um ein Kopfschmerzmittel bitten. Der selbstlosen Frau, die sich entschieden hatte, ihr Leben mit mir zu teilen, meine Aufmerksamkeit zu schenken.
Dann wurden wir gestört. Wir hörten einen lautstark schnaufenden Mann auf unserer Außentreppe. Wir ignorierten den Krach, bis er zu uns hereinstürmte. Es war Claudius Laeta. Er schien etwas Zeremonielleres zu erwarten als den stummen Blick, den er von uns beiden erhielt.
Ich war gebadet, rasiert, massiert, gekämmt, in eine saubere Tunika gekleidet, belebt durch mehrere Becher kalten Wassers und zusätzlich gestärkt durch ein einfaches Mahl in Ei angebratener Gurken. Ich saß wie ein anständiger Hausherr an meinem eigenen Tisch, unterhielt mich mit meiner eigenen Frau und überließ ihr höflich die Themenwahl. Das Gespräch war anspruchslos, weil Helena den Mund voller Mostkuchen hatte. Sie hatte ihn am Morgen für sich gekauft, da sie halbwegs erwartete, ich würde irgendwann mit einer peinlichen Geschichte wieder auftauchen. Mir war nichts davon angeboten worden.
Und so saßen wir da, schicklich und friedvoll nach dem Mittagessen, als ein Mann mit einem Auftrag, den ich weder wollte noch schätzte, in unser Heim gestürmt kam: für einen Privatermittler ein ganz normales Ereignis. Ich begrüßte ihn resigniert. Zum Glück hatten wir unseren provisorischen Tisch nicht in dem Zimmer mit den obszönen Fresken aufgestellt. Ich ließ mir Zeit damit, einen weiteren Hocker aus einem Abstellkämmerchen zu holen. Ich ahnte, daß alles, was Laeta mir zu sagen hatte, bedrückend sein würde.
Laeta setzte sich. Hier, in einer heruntergekommenen Gasse auf dem turbulenten Aventin, war der hohe Beamte nicht gerade in seinem Element. Außerdem schnappte er nach Luft wie ein gestrandeter Karpfen. Ich hatte niemandem meine neue Adresse gegeben. Alles, was nach Ärger roch, sollte lieber bei der alten nach mir suchen. Er mußte die sechs Stockwerke zu meiner Behausung auf der gegenüberliegenden Straßenseite
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