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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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hoher Position. Und wie sind Sie reingekommen, Falco?«
    »Noch viel bessere Freunde in wesentlich höherer Position«, gab ich vernichtend zurück.
     
    Wieder neben Anacrites zu sitzen war fast eine Erleichterung. Bevor er versucht hatte, mich umbringen zu lassen, hatten wir miteinander gearbeitet. Er war verschlagen, aber genau wie ich verfügte er über einige Lebenserfahrung. Er trank gern einen guten Wein, hatte seinen Friseur unter Kontrolle und war dafür bekannt, daß er hin und wieder einen Witz über das Establishment losließ. Mit einem Kaiser, der Kosten sparen wollte und gegen übermäßige Sicherheitsmaßnahmen war, mußte sich Anacrites unwohl fühlen. Zum einen wollte er mich so weit wie möglich aus dem Weg haben. Er hatte versucht, mich anzuschwärzen, und er hatte vorgehabt, mich von einem unberechenbaren ausländischen Potentaten hinrichten zu lassen. Doch selbst jetzt wußte ich, woran ich mit ihm war. Zumindest so weit, wie das bei einem Spion möglich ist.
    »Was ist los, Falco? Will mein junger Freund aus der noblen Familie sich an Ihnen rächen?«
    Ich sagte, sein junger Freund sei kurz davor, was auf die Nase zu bekommen. Anacrites und ich verfielen wieder in unsere gewohnte Feindseligkeit.
    Ich schaute nach oben und richtete meinen Blick auf die Lampe. Sie brannte mit der klaren, geruchlosen Flamme guten baetischen Öls, war aus glitzernder Bronze und hatte die Form eines fliegenden Phallus. Entweder schwankte dieses obszöne Gefäß mehr als es sollte, oder der gesamte Raum war in Bewegung … Ich beschloß, daß ich genug von dem roten Barcino hatte. Im gleichen Moment, wie das so oft geschieht, goß mir ein Sklave den Becher wieder voll. Ich seufzte und stellte mich auf eine lange Nacht ein.
    Später muß ich noch mehr getrunken haben, obwohl ich es nicht genau sagen könnte. Deshalb geschah nichts Interessantes – zumindest mir nicht. Andere genossen zweifellos Risiken und Intrigen. Jemand traf vermutlich eine Verabredung mit der Tänzerin aus Hispalis. Es schien die Art von Fest zu sein, auf der traditionelle Bräuche gewürdigt wurden.
    Ich ging, als noch alles in vollem Schwunge war. Niemand war erkennbar umgekippt, und zu diesem Zeitpunkt war auch mit Sicherheit noch niemand tot. Alles, was ich von dieser letzten Stunde noch weiß, sind ein paar schwierige Augenblicke, als ich versuchte, meine Amphore zu schultern. Sie war halb so groß wie ich und für einen Mann in meiner Verfassung viel zu schwer. Der junge Bursche in der haferfarbenen Tunika von der Liege gegenüber hatte ebenfalls nach seinem Umhang gegriffen. Er schien relativ nüchtern und machte den hilfreichen Vorschlag, ich solle ein paar Sklaven auftreiben, die das klobige Gefäß an einer Tragestange für mich heimtrugen. Augenblicklich erkannte ich die Logik darin. Wir lachten. Ich war viel zu betrunken, ihn nach seinem Namen zu fragen, aber er wirkte freundlich und intelligent. Daß er ganz alleine bei diesem Essen gewesen war, überraschte mich.
    Irgendwie mußten meine Füße den Weg vom Palatin zum Aventin gefunden haben. Die Wohnung, in der ich seit einigen Jahren wohnte, lag im sechsten Stock eines heruntergekommenen Mietshauses. Die Sklaven weigerten sich, mit nach oben zu kommen. Ich ließ die Amphore unten, versteckte sie unter einem Haufen dreckiger Togen in Lenias Wäscherei im Erdgeschoß. Es war eine dieser Nächte, in denen mein linker Fuß in die eine Richtung losging und beim Zurückkommen den rechten traf. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich sie dazu brachte, mir zu gehorchen und mir die Treppe hoch zu helfen.
    Irgendwann erwachte ich aus beunruhigender Schwärze und hörte die fernen Schreie von den Marktständen und das gelegentliche Klingeln von Geschirrglocken. Ich merkte, daß die Aktivitäten unten auf den Straßen mich schon seit einiger Zeit im Schlaf gestört hatten. Es war der erste Tag im April und das Straßenleben bereits hektisch. Wachhunde bellten Hühner an. Hähne krähten aus lauter Spaß an der Freude. Der Tag hatte begonnen – schon vor ein paar Stunden. Auf dem Dach über mir gurrte nervtötend eine Taube. Das Licht fiel mit schmerzhafter mittäglicher Intensität vom Balkon herein.
    Automatisch kroch der Gedanke an Frühstück in meinen Kopf – und zog sich schnellstens wieder zurück.
    Mir ging es entsetzlich schlecht. Als ich mich vorsichtig auf der durchhängenden Leseliege aufrichtete, auf die ich mich letzte Nacht hatte fallen lassen, machte ein Blick durch die Wohnung

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