Zwielicht in Cordoba
Wahl. Außerdem weißt du, daß ich es nicht ertragen kann, wenn du edelmütig so tust, als wärst du nicht nervös, während du die ganze Zeit Qualen leidest, weil der Schweinehund davongekommen ist.«
»Ich werde das Versprechen, das ich dir gegeben habe, nicht brechen.«
»Ich spreche dich davon frei – vorübergehend. Marcus, ich beschwere mich nicht. Du hast nie vorgegeben, anders zu sein als du bist, und mir ist es nie im Traum eingefallen, dich zu ändern. Ich liebe deine Beharrlichkeit, obwohl du weißt, wie schwer das gerade jetzt für mich ist … Geh los, finde ihn und nimm ihn fest. Und dann, gute Götter Marcus …« Tränen, die sie nicht zurückhalten konnte, traten ihr in die Augen. »Bitte versprich mir, daß du dann so schnell wie möglich zu mir zurückkommst.«
Morgen waren die Nonen des Mai. Noch immer konnte ich mich deutlich an jene heiße Augustnacht letztes Jahr in Palmyra erinnern, in der wahrscheinlich das Baby gezeugt wurde. Der Mai war gerade mal sechs Tage alt. Das Kind wurde vielleicht erst Ende des Monats geboren. Ich redete mir ein, es wäre noch genügend Zeit, alles zu schaffen. Dann sagte ich es Helena und umarmte sie. Während sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die ich nicht würde ertragen können, hielt ich sie eng an mich gedrückt, damit sie den gequälten Ausdruck in meinem Gesicht nicht sah.
Allmählich konnte ich diesen Garten nicht mehr ausstehen. Helena mußte die ganze Zeit hier gesessen haben, während wir auf dem Quinctius-Gut waren, als hätte sie Angst, wenn sie sich rührte und ins Haus ging, könnten die Krämpfe wieder anfangen und die Geburt beginnen. Ihre Verängstigung steigerte meine noch.
Während meiner Abwesenheit hatte Aelia Annaea Helena freundlicherweise Gesellschaft geleistet. Sie war immer noch hier. Als Marius Optatus dämlicherweise die Bemerkung machte, er dächte, ich habe jetzt vor, hinter Quadratus herzureiten, hatte ihn Aelia rasch zu einem Spaziergang im Obstgarten weggezogen, damit Helena mich in Stücke reißen konnte. Aelia schien hiergeblieben zu sein, um uns ihre Freundschaftsdienste anzubieten, wenn wir unsere Entscheidung getroffen hätten.
Jetzt kam sie zu uns zurück und ließ Marius stehen. Er hielt sich brav im Hintergrund, als habe man ihm den strikten Befehl dazu gegeben. Aelia Annaea war ruhig, aber energisch. Eine Goldmine zu besitzen verleiht einer Frau ein gewisses Selbstvertrauen. Ich mochte sie, vielleicht ebenso sehr, wie Helena es tat.
Sie zog sich einen Klappstuhl heran, der von unserem Nachmittagstee mit Claudia stehengeblieben war. Lächelnd schätzte sie unsere momentane Stimmung ab. »Es ist also alles entschieden.«
Ich funkelte sie unglücklich an. »Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«
Helena wischte sich die Tränen weg. »Vorsicht, Aelia. Marcus kann herrische Frauen nicht ausstehen.«
»Das muß der Grund sein, warum er mit einer zusammenlebt!« Reiche Witwen können ganz schön provokativ sein. Ich hatte schon viel unter solchen Klientinnen zu leiden – bevor ich lernte, sie abzuweisen. Sie grinste mich an. »Nun, ich bin nur gekommen, um einen Vorschlag zu machen, mehr nicht.«
Helena und ich sahen Aelia an. Wir mußten beide ziemlich blaß aussehen.
»Marcus Didius muß Tiberius finden.« Selbst jetzt verwendete Aelia noch gewohnheitsmäßig seinen Vornamen. »Helena, wenn Sie vorhaben, nach Rom zurückzukehren, sollten Sie meiner Meinung nach sobald wie möglich in ganz langsamem Tempo losfahren. Ich habe darüber mit Marius gesprochen, und ich werde auch mit Claudia darüber sprechen. Claudia ist zu Hause sehr unglücklich. Ich glaube, sie würde Ihre freundliche Einladung nach Rom gerne annehmen.«
»Ich habe sie noch gar nicht gefragt …«
»Nein, aber ich werde es tun! Es wird schwer für sie sein, ihre Großeltern so bald nach dem Tod ihres Bruders zu verlassen, aber wenn sie noch wartet, wird nie etwas daraus. Als Vorwand hätte sie ja, daß Sie ihre Begleitung wünschen, Helena. Sie brauchen auf jeden Fall Hilfe während der Reise. So!« Aelia Annaea war direkt und sehr praktisch. »Während Falco dem Entflohenen nachjagt, können Sie ganz gemächlich losfahren. Ich werde selbst bis zur tarraconensischen Küste mitkommen. Wir nehmen meine Kutsche, die geräumig und bequem ist. Ich fahre dann wieder zurück, und Claudia bleibt bei Ihnen. Dieser Bursche« – sie deutete auf mich – »kann uns nachreiten, sobald er fertig ist, und Sie dann mit dem Schiff nach Hause
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