Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
rötliche Tunika des gestrigen Abends, die rundherum mit gesteppten Borten in dunklen Beerenfarben gesäumt war. Anacrites’ Kleidung war stets von guter Qualität, er vermied schreiende Farben. Er verstand es, Bequemlichkeit mit Unaufdringlichkeit zu verbinden.
    Auf der Tunika waren keine Blutflecken zu sehen. Ich fand weder Stichwunden noch Spuren von Schlägen, obwohl beide Oberarme identische Blutergüsse aufwiesen, als sei er mit Gewalt festgehalten worden. Neben dem Schienbein fand sich ein kleiner Schnitt, neu und etwa einen Finger lang, darunter ein getrocknetes Blutrinnsal, dünn und gerade wie ein toter Wurm. Ernsthafte Wunden, die seinen miserablen Zustand erklärten, konnte ich nicht entdecken, bis ich ein weiteres Tuch zurückschlug. Es bedeckte seinen Scheitel und war an einer Stelle wie eine Art Kompresse gegen seinen Schädel gedrückt.
    Vorsichtig nahm ich es herunter. Das erklärte alles. Jemand mit schlechten Manieren hatte Anacrites als Stößel in einem sehr rauhen Mörser verwendet und ihn fast skalpiert. Durch das Gewirr von Haaren und Blut konnte ich bis auf den Knochen sehen. Die Schädeldecke des Spions war auf eine Weise bearbeitet worden, die wahrscheinlich sein Gehirn in Mitleidenschaft gezogen hatte.
     
    Calisthenus, der schlaffe Architekt, war wieder im Türrahmen erschienen. Er hielt Anacrites’ Gürtel in der Hand, den ich vom gestrigen Abend her kannte. »Er wurde nicht beraubt. Hier ist ein Geldbeutel.« Ich hörte es klappern. Laeta griff nach dem Gürtel und durchsuchte den Geldbeutel, in dem er nur Wechselgeld in normaler Menge fand. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe. Wenn er hoffte, hier auf Hinweise zu stoßen, hatte Laeta noch nie mit Spionen zu tun gehabt. Anacrites würde nie Papiere bei sich tragen, noch nicht mal ein Bild seiner Freundin, falls es eine gab. Selbst wenn er eine Notiztafel bei sich hatte, war er zu geheimniskrämerisch, auch nur eine Einkaufsliste aufzuschreiben.
    »Woher wußten Sie, daß er zum Palast gehört, Calisthenus?« Calisthenus reichte mir ein Knochentäfelchen, wie es viele Beamte bei sich haben, um Wirten einen kostenlosen Becher Wein zu entlocken. Darauf war ein falscher Name eingeritzt, den ich Anacrites hatte benutzen hören, dazu die Angabe, er sei Palastsekretär. Auch diese falsche Identität kannte ich, genau wie offenbar derjenige, der im Palast die Nachricht des Architekten entgegengenommen hatte.
    »Hatte er sonst noch etwas bei sich?«
    »Nein.«
    Ich hob das leblose linke Handgelenk des Oberspions an und spreizte seine kalten Finger. »Was ist mit seinem Siegelring?« Ich wußte, daß er einen besaß, den er zum Stempeln von Pässen und anderen Dokumenten benutzte. Es war ein großer ovaler Chalzedon, auf dem zwei Elefanten mit verschlungenen Rüsseln eingraviert waren. Wieder schüttelte Calisthenus den Kopf. »Sind Sie sicher?« Er wurde ungehalten, wie es nur ein Architekt kann (all die überzogenen Kostenvoranschläge und die Kunden, die erwarten, daß das Haus genau so aussieht, wie sie es gewünscht haben … )
    »Nichts für ungut, Calisthenus, aber Sie könnten ja gedacht haben, daß der Ring alle Kosten, die Ihnen durch die Versorgung des Opfers entstanden sind, deckt.«
    »Ich kann Ihnen versichern …«
    »Schon gut. Beruhigen Sie sich. Sie haben einen wichtigen Staatsdiener gerettet. Falls Ihnen dadurch Unkosten entstehen, schicken Sie die Rechnung an den Palast. Wenn der Ring noch auftaucht, sollte er sofort zurückgebracht werden. Und wenn Ihr Diener jetzt eine Sänfte besorgen könnte, wird mein Kollege den armen Burschen wegbringen.«
    Laeta sah etwas beleidigt aus, weil ich ihn zum Hilfspersonal degradiert hatte, aber während wir zusahen, wie Anacrites in den gemieteten Tragestuhl geladen wurde, für eine Reise, die gut seine letzte sein konnte, machte ich ihm klar, daß ich, wenn man mich schon bäte, mich des Problems anzunehmen, am besten sofort anfinge. »Was soll denn nun geschehen, Laeta? Wollen Sie, daß ich denjenigen finde, der ihm eins übergebraten hat?«
    »Nun ja, das könnte interessant sein, Falco.« Laeta klang so, als sei die Festnahme des Verbrechers seine geringste Sorge. Ich fragte mich, ob es klug war, ihn mit dem verwundeten Spion zum Palatin zurückzuschicken. »Was meinen Sie, mit welchen Ermittlungen Anacrites beschäftigt war?«
    »Fragen Sie den Kaiser«, riet ich ihm.
    »Vespasian weiß nichts von irgendwelchen größeren Unternehmungen.« Sollte das heißen, daß man den Kaiser

Weitere Kostenlose Bücher